Putin 2.0 (part_1)

Im März 2012 werden in Russland Präsidentenwahlen durchgeführt. Die Amtszeit des neugewählten Präsidenten wird nach einer Änderung der Verfassung im Oktober 2008 sechs Jahre (statt bisher vier) betragen. Die Debatte darüber wird von drei zentralen Fragen geprägt:

1. Wird D. Medvedev sich 2012 um eine zweite Amtszeit bewerben oder aber wird V. Putin erneut das Präsidentenamt antreten?

2. Wird diese Entscheidung im Einvernehmen zwischen Putin und Medvedev getroffen? Wann wird die Öffentlichkeit davon unterrichtet werden?

3.  Bestehen zwischen den beiden erhebliche Unterschiede in den innen- und außenpolitischen Zielvorstellungen?

Inhaltliche Differenzen zwischen Putin und Medvedev sind in der Wirtschaftspolitik erkennbar. Medwedew hat 2009 in seinem programmatischen Artikel “Vorwärts Russland” (Rossija, vperëd!) die Modernisierung Russlands als Kernziel seiner Amtszeit benannt; Russland könne ‚so nicht weitermachen‘ (tak žit‘ nel‘zja) – eine Losung, die auch Putin unterstützt. Während Putin damit aber bloß die ökonomische und technologische Entwicklung meint, drängt Medwedew auf einen viel umfassenderen Ansatz, der auch die individuelle Freiheit stärken, die Medien liberalisieren und die staatlichen Strukturen demokratisieren will. Darüber hinaus sind sich Putin und Medwedew nicht darüber einig, wer die Modernisierung vorantreiben soll. Während Putin dies einem effizienten und starken Staat anvertraut, will Medwedew dafür alle gesellschaftlichen Akteure mobilisieren. Medwedew weist auch immer wieder auf die Eigenverantwortung der Bürger hin. Die ‚paternalistische Haltung‘ der Bürger gelte es zu überwinden.

Das Umfeld Putins will die bestehenden Strukturen bewahren, die eigene politische und wirtschaftliche Macht absichern; sie unterstützt eine starke und autoritäre Führung des Landes und lehnt eine zu starke Annäherung an den Westen ab. Im Lager Medwedews dominieren liberale Technokraten, die strukturelle wirtschaftliche Reformen fordern, die staatliche Bürokratie schwächen und das Land demokratisieren wollen; ihnen ist die Zusammenarbeit mit der EU und der USA daher unabdingbar. An diesen Linien fallen die Lager zwischen Putin und Medwedew auseinander.

Medvedev kritisiert immer offener, dass die Betonung des Stabilitätsgedanken (stabilnost‘) die Gefahr berge, Stagnation hervorzurufen. Dies ist eine offene Kritik an Putin, der Stabilität zu einem zentralen Merkmal seiner Amtszeit erhoben hat und sich auch jetzt noch gegen ‚liberale Experimente‘ ausspricht. Medvedev verlangte im März 2011 in Magnitogorsk eine rasche und aggressive Privatisierung und eine verminderte Rolle des Staates in der Volkswirtschaft. Das bisherige Privatisierungsprogramm sei zu wenig ambitioniert; daher forderte er die Regierung im Juni 2011 auf, bis August 2011 ein ambitionierteres Privatisierungsprogramm auszuarbeiten, das das Staatseigentum auch in Unternehmen ‘strategischer Bedeutung’ auf maximal eine Sperrminorität zurückfahren soll. In den kommenden 3 Jahren erwartet Finanzminister Kudrin einen Erlös von 30 Mrd. USD aus den Privatisierungen. Allerdings soll es noch ein zweites Privatisierungspaket geben, von dem höhere Erlöse erwartet werden. Die Unternehmen, die sehr bald privatisiert werdne sollen sind die Fluglinie Aeroflot und das Schiffbauunternehmen Sovkomflot.

Als zentrale strategische Sektoren, in denen Russland besondere Modernisierungsanstrengungen übernehmen müsse, sieht Medvedev die Informations- und Kommunikationstechnologie, Energieeffizienztechnologie, Atomtechnologie, Medizintechnik und Weltraumtechnologie.

Foto: http://www.cbc.ca/news/reportsfromabroad/murray/20080506.html

2 thoughts on “Putin 2.0 (part_1)”

  1. “Ich werde aufräumen” hat Putin soeben in Jekatarinenburg seine Pläne für die Zeit nach der Präsidentenwahl 2012 bekanntgegeben. Fragt sich nur, ob nach Methode Schwarzenegger (mit Besen: “I’ll clean house!”) oder nach Methode Sarkozy (mit dem Kärcher). Erfolgreich waren beide Vorbilder nicht gerade überzeugend …

  2. Wie stark ist der Zuspruch für Putin tatsächlich? Wie hoch ist das Bedürfnis der Russländer_innen, die “paternalistische Haltung” fort zu führen? Bevormundung kann doch nicht im Sinne der vielen engagierten Bürger_innen dieses riesigen Landes sein, die unter Berufung auf demokratische Grundrechte unter Gefahr zur Ausübung ebendieser drängen?
    Tak žit‘ nel‘zja – im wahrsten Sinne des Wortes!
    So darf man nicht leben, gebückt und unfrei.
    Wirtschaftlich gesehen ist ja – anders betrachtet – Privatisierung im Ohr einer Bürger_in Russlands nicht so wohlklingend.
    Aber es gibt hier ja nicht Gut und Böse – Schwarz und Weiß, sondern einfach zwei Wege, die vorgeben, vorwärts zu weisen, möglicherweise aber einige Schritte rückwärts gehen.

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