Ein Versager und sein Lehrmeister

Hillary Clinton hatte ihn schon vor der Ausstrahlung des Interviews einen nützlichen Idioten Putins genannt. Tucker Carlson hat sich angebiedert, um ein Interview mit dem eisernen Kriegsherren, mit Vladimir Putin, zu bekommen. Es sollte ein langatmiges Interview werden. Putin inszeniert sich in diesem Interview als großer Historiker, der die Geschichte Russlands in all seinen Epochen zu erklären vermag. Natürlich bestreitet Putin in diesem Gespräch das Recht des ukrainischen Territoriums auf Eigenstaatlichkeit; Putin macht die sowjetischen Kommunisten verantwortlich für ein ukrainisches staatliches Artefakt.

Da ist es auch wieder – die Behauptung Putins, die NATO hätte 1990 versichert, sich nicht nach Osteuropa auszudehnen. Dabei gab es niemals so ein Versprechen – weder mündlich, noch schriftlich. Putin attackiert den Westen, der das Völkerrecht gebeugt und seinen Interessen untergeordnet zu haben und verweist auf die NATO-Militäroperation gegen Serbien im Jahr 1999. Dann folgt das Wehklagen über die gegen Russland gerichteten Entscheidungen und Handlungen der USA in den Jahren danach. Der Westen habe ständig Druck auf Russland ausgeübt und dessen Interessen nicht respektiert.

Tucker Carlson unterbricht Putin kaum; er stellt keine kritischen Fragen, sondern erlaubt Putin, weiter zu dozieren. Es bleibt auch unangefochten, als Putin den Umsturz in der Ukraine im Februar 2014 als vom CIA organisiert darstellt. Ohne diesen Putsch hätte Russland die Grenzen der Ukraine nicht angetastet. Dann wirft Putin der Ukraine vor, das Minsker Abkommen zur friedlichen Konfliktregelung in der östlichen Ukraine aufgekündigt zu haben. Dann kommt die große Lüge: Putin betont, nicht Russland habe den Krieg im Krieg im Jahr 2022 gestartet, die Ukraine habe ihn gestartet und Russland wolle diesen Krieg mit seiner Invasion beenden. Das ist dieselbe Täter-Opfer Umkehr, von der die russische Führung seit Kriegsbeginn spricht.

Natürlich redet Putin über die notwendige Denazifizierung der Ukraine, weist auf die Verehrung des Nazi-Kollaborateurs Bandera hin. Putin genießt es sichtlich, seine Deutung der Geschichte und der Gegenwart des ukrainischen Staates darlegen zu können. Tucker Carlson fordert ihn nicht mit harten Fragen und Einwänden; er bleibt Stichwortgeber Putins, ein braves Gegenüber, das nichts in Frage stellt. Das lässt Putin auch unwidersprochen behaupten, dass es im Frühjahr 2022 mit der ukrainischen Führung ein Abkommen gegeben habe, diesen Krieg zu beenden. Westliche Staaten hätte das aber verhindert.

Es gebe keinen Grund für ihn, mit Biden zu sprechen. Der Westen müsse nur aufhören, Waffen an die Ukraine zu liefern. Dann wäre alles in einigen Wochen vorüber und man könnte sich dann über die Regelung des Konfliktes unterhalten. Putin leugnet auch russische Absichten Polen oder die baltischen Staaten anzugreifen. Das sei nur eine Kriegshysterie des Westens, um die eigene Bevölkerung zu verängstigen. Es sei völlig absurd, von solchen russischen Eroberungsplänen zu sprechen. Das Ziel des Westens sei vielmehr, Russland so weit als möglich zu schwächen und er benutze die Ukraine dazu, dieses Ziel zu erreichen.

Natürlich kam, was alle Beobachter erwartet hatten: Putin fragt, ob die USA nicht größere Probleme zuhause hätten, statt die Ukraine, Tausende Kilometer entfernt von den USA zu unterstützen. Er appelliert hier an die US-Bürger, die an „America first“ glauben und einen isolationistischen Kurs unterstützen.

Dann der Angriff auf Deutschland: Die deutsche Regierung verfolge nicht ihre eigenen Interessen, sondern vertrete fremde Interessen. Deutschland werde von völlig unfähigen Personen geführt.

Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier ein dummer Amerikaner sitzt, den zu belügen und zu täuschen Putin ein Vergnügen ist. Carlson wehrt sich nicht, nimmt sich offenbar selber nicht ernst und bietet Putin eine Bühne zur Selbstdarstellung, zur Verführung der Menschen, die sich dieses monströse Interview ansehen werden. Putin lacht immer wieder selbstgefällig, er genießt die Szenerie und denkt wohl, mir sitzt ein Trottel gegenüber.

Schließlich wirft Putin den USA vor, Russland als Staat zerstören zu wollen, das Land aufspalten zu wollen. Er erzählt das Narrativ, das vom russischen Regime auch gegenüber der eigenen Bevölkerung benutzt wird. Die USA würden aber nicht verstehen, wie sehr sich die Welt verändere und wie neue Machtzentren die Dominanz der USA beschränken würden. Schließlich ist sich Carlson nicht zu schade, das absurde Argument in den Ring zu werfen, dass die USA Russland zum Angriff auf die Ukraine provoziert habe. Nein., das war kein Interview; es gab keine bohrenden Fragen, keinen Widerspruch, keinen Dissens. Carlson begnügte sich, Putin ein Podium zu bieten – zu dessen Gaudium. Es lohnt sich nicht, diese 127 Minuten Putinscher Weltdeutung anzusehen.

 

Photo credit: https://www.cbc.ca/news/politics/putin-tucker-carlson-interview-hunka-affair-canada-1.7109911

11 thoughts on “Ein Versager und sein Lehrmeister”

  1. Sehr geehrter Herr Mangott,

    das Interview wurde veröffentlicht und nun wird beispielsweise auf Twitter diskutiert. Vor allem die Aussage, dass Putin kein Interesse an Polen und dem Baltikum habe und es werden bereits die Paralleln gezogen, da Putin das auch vor dem Angriff auf die Ukraine und Georgien gesagt hat. Viele der Wissenschaftler diskutieren, dass dies als ein eindeutiges Zeichen gewertet werden kann, dass Russland nun ernst macht und die Nato angreifen wird. Wie würden Sie das einschaätzen? Ich bin mittlerweile total hin- und hergerissen, da diese Wissenschaftler und Experten auch lange behauptet haben, dass Russland nicht so irrational wäre. Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Paul Weber

  2. Ich denke Putin liebt es, die westlichen Bevölkerungen zu verunsichern. Westliche Politiker spielen da mit und verbreiten die gleichen Ängste, um die Unterstützung der Menschen für die Fortführung des Krieges in der Ukraine aufrecht zu erhalten. Ich halte es für ein sehr sehr unwahrscheinliches Szenario, dass ein militärisch derart geschwächtes Land, dem Irrwitz verfallen könnte, ein NATO-Land anzugreifen.

  3. Ich danke Ihnen für die Erläuterung. Ich persönlich halte es nämlich auch für unwahrscheinlich, denn es wäre doch eine ganz andere Dimmension

  4. Ich schließe mich vollumfänglich Ihrer Interpretation an, sehr geehrter Herr Professor!

  5. Sehr geehrter Hr. Prof. Dr. Mangott,
    Die Ukraine hat zuwenig Munition, sagen uns in die Medien weil die EU nicht / noch nicht liefern kann. Außerdem berichtet man uns aber auch, daß es die notwendige Munition in den USA gibt. Meine Frage ist, warum Europa nicht die vorhandene Munition in den USA kauft. Europa kauft ja auch sonst eine Menge Material für die Streitkräfte in den USA. Warum wird das nicht getan, und warum hört oder liest man gar nichts über diese so naheliegende Frage? Denn am Geld kann es doch offenbar nicht liegen, geht es ja nicht sofort um 60mrd, die noch durch den Kongress müssen, sondern um die Bezahlung für einen Teil der Munition, die an der Front fehlt und die Verteidiger in Gefahr bringt. Die Europäer haben Geld zur Verfügung gestellt, außerdem gibt es eingefrorene Gelder, deren Zinsen man für die Ukraine verwenden möchte.
    Das ist alles nicht so klar. Wissen Sie weshalb?
    Mit freundlichen Grüßen,
    F.O. Maurer
    Wien

  6. Sehr geehrter Herr Univ. prof Dr Gerhard Mangott,

    Mich würde interessieren, was Trump und seine Anhänger bezwecken, Europa nicht weiter zu beachten, militärisch womöglich alleine zu lassen und eventuell sogar die US Truppen aus Europa abzuziehen? Immerhin ist Europa nach China der zweitgrößte Handelspartner (glaube ich), andererseits wird sich die Beziehung zu China eher verschärfen. Der Abstieg Europas und die Erpressbarkeit durch Russland – mangels militärischer Stärke ohne die USA – und durch China – aufgrund der doch starken Abhängigkeit va im Medikamentenbereich, aber insgesamt – könnte langfristig zu einem Problem führen, sollte Europa aufgrund seiner Abhängigkeiten gänzlich in die chinesisch-russische Sphäre gelangen? Das kann langfristig, aufgrund der doch zahlreichen Feinde der USA weder wirtschaftlich noch militärisch im Interesse Amerikas liegen? Zwar geht es natürlich darum die Europäer dazu zu bringen ihre Verteidigungsfähigkeit zu sichern, aber der gänzliche Abstieg und die Abkoppelung von Europa kann nicht in Interesse der USA sein, auch hoffe ich, dass die vielen Experten ( nicht Sie) nicht recht behalten mit einem großen Krieg in Europa, sofern sich die USA militärisch zurückziehen und womöglich sich gänzlich auf den pazifischen Raum und Asien konzentrieren müssen! Kann ein Abstieg Europas und ein Verlust des Wohlstands verhindert werden oder sehen Sie das als unausweichlich an?

    Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen!

    Mit freundlichen Grüßen

    Weiss

  7. sg. herr prof. mangott,
    ich teile ihre einschätzung mit einer einschränkung: genscher und baker haben sehr wohl öffentlich davon gesprochen, dass die nato nicht einen inch nach osten geht. schewardnadse und gorbatschow sind bei den verhandlungen zur deutschen wiedervereinigung bis an die grenzen des möglichen gegangen. nato truppen auf dem gebiet der ehemaligen ddr waren völlig unmöglich – geschweige denn weiter östlich. lt. spiegel vom 18.2.2022 wurde mittlerweile ein dokument entdeckt, das das versprechen der nicht-expansion der nato nach osten unterstützt. um es ganz klar zu sagen: putin ist ein verlogener, mörderischer giftzwerg, der nach den haag gehört. nur leider haben die usa das völkerrecht wiederholt ungestraft verletzt – stichworte afghanistan, irak, syrien, libyen, cia waterboarding, abu ghraib, guantanamo, obamas drohnenangriffe.

  8. Guten Tag! Danke für Ihre Nachricht. Ijn der Tat haben Genscher und Baker auch öffentlich davon gesprochen, dass sich die NATO nicht nach Osten ausdehnen wird. Auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, die den 2+4 Vertrag ausgehandelt haben, hat das aber keine Rolle gespielt. Sicherlich aus russischer Sicht ein Versäumnis von Gorbatschow.

  9. sg. herr prof. mangott,
    vielen dank für ihre antwort, ja, das hat gorbatschow wirklich versäumt schriftlich festzulegen. ich denke, dass in diesem vertrauensvollen klima zwischen west und ost gorbatschow an eine mögliche weitere nato-expansion gar nicht gedacht hat. es hat ja die nato-truppen-manöverfrage auf dem gebiet der ehemaligen ddr fast zum scheitern der deutschen wiedervereinigung in letzter minute geführt. kohl/genscher haben auf der souveränität deutschlands bez. bündiszugehörigkeit beharrt, allerdings mit dem ausdrücklichen zusatz, auf die sicherheitsinteressen russlands rücksicht zu nehmen und mit bedacht zu agieren. genscher hatte ja den spitznamen einer lebenden vertrauensbildenden maßnahme 🙂

  10. Sehr geehrter Herr Univ. prof Dr Gerhard Mangott!
    Hochachtungsvoll bitte ich Sie um ihre Einschätzung zu diesem doch auch möglichen Szenario:
    “Eine erhebliche Anzahl an Soldaten eines NATO Landes beginnen den Kampf auf ukrainischem Boden mit eigener Luftunterstüztung, Ziele innerhalb Russlands sind zunächst kein Angriffspunkt”.
    Wäre das eine Kriegserklärung an Russland bereits? Eine mögliche Reaktion Russlands wäre Ziele in diesem NATO Land anzugreifen. Letztendlich besteht ein wesentliches Potential beim Einsatz von Raketen und kleinen bis großen atomaren Sprengköpfen, sagte man früher. Putin gab an, Russlands Armee auf aktive 1,5 Mill Mann aufstocken zu wollen, demnächst.
    Ein “militärisch derart geschwächtes Land” sieht für mich anders aus, and “the ruble will be rubble” (Biden) auch. Alles Gute!

  11. Guten Abend!
    Die Nato wurde gegründet, weil man 1948 den Druck von
    Stalin richtig eingeortnet hat. ( 1950 Korea…)
    2024 80% haben kaum Interesse an Geschichte , somit keine Vergleiche . Damit sind sie den üblichen Methoden ausgeliefert, die in den Medien geistern.
    Lanciert von Pjtin und seiner Kleptokratie. Und von Ki-boots.
    Und Angst ist erste Kunst des Kgb oder was immer.
    Wir sollten null nachgeben und unser Potential ausfahren.
    Oder lassen sich 600 mio Europäer versklaven?
    Nein. Und die Russen wissen, dass sie in unseren Ländern nix erreichen werden. Die Atomkarte ist ein Bluf, weil wenn, gehen alle weltweit al in. StatusQuo..
    Der Krieg in der Ukraine wird 20 bis 30 Jahre dauern.
    Hatten wir doch schon 1618-1648..
    Das war irgendwie sehr ähnlich. Darum Bildung und Geschichte, damit Diplomatie.. Handel.Austausch.. etz.
    Lg Fritz

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