… rückkehr der kalten krieger …

russland_militarparadeIn der polnischen Gazeta Wyborcza haben Vaclav Havel, Lech Walesa und andere zentral- und osteuropäische Gesinnungs-genossen am 17. Juli einen Offenen Brief an Barack Obama gerichtet. In dem Aufruf warnen sie die USA davor, sich aus der osteuropäischen Region zurückzuziehen; sie klagen, die Region sei für die USA an den Rand der Aufmerksamkeit gerückt; der Einsatz für die Durchsetzung demokratischer Werte an der Seite der USA – im Irak wie in Afghanistan – bleibe unbedankt. Scharf kritisieren sie, das Abseitsstehen der USA und der NATO, als Georgien Opfer der ‚russischen Aggression‘ geworden sei. Es gebe die Sorge, ob die Beistandspflicht der Bündnismitglieder nach Artikel 5 des Washingtoner Vertrages – des Gründungsvertrages der NATO vom April 1949 – noch gesichert wäre. Nachdrücklich warnen die Autoren vor Konzessionen an Russland. Russland sei eine revisionistische Macht, die die Souveränität der osteuropäischen Staaten nicht anerkenne. Russland schüchtere ein, manipuliere, korrumpiere und nutze die energetische Abhängigkeit dieser Staaten als Druckmittel.

Zuletzt legen die Mahner einen Stufenplan vor, um den in Gefahr gewähnten transatlantischen Bund zu erneuern. Die NATO sollte sich auf ihren ursprünglichen Daseinszweck besinnen – der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder. Das Bündnis benötige für seine neuen Mitgliedsstaaten eine Notfallsplanung; die Vorwärtsstationierung von NATO-Truppen, Gerät und Logistik im Krisenfall sei zwingend; eben diese Krise sehen sie nunmehr als gegeben an. Der NATO-Russland Rat müsse überdacht werden. Die Autoren legen nahe, dass er kein Forum zur Debatte sein dürfe; die NATO müsse Russland mit einer vorab koordinierten Haltung gegenübertreten. Zuletzt warnen sie die USA, von den Plänen zum Aufbau der strategischen Raketenabwehr in Polen und Tschechien abzurücken. Dies würde die Glaubwürdigkeit der USA in der Region aushöhlen.

Diese Haltung ist geradezu entlarvend, denn sie lässt zwei Schlüsse zu: Entweder die Raketenabwehr ist für die ‚kalten Krieger‘ doch ein Schutzwall gegen Russland, oder aber sie sehen allein in der Rücksicht der USA auf russische Einwände einen strategischen Sündenfall. Schon allein der Dialog, das Bemühen, die Einwände Russlands ernst zu nehmen, wird als Schwäche gedeutet. Die grundsätzliche Ausgrenzung Russlands wird damit zum strategischen Axiom. Der offene Brief ist eine Rückkehr zu einer konfrontativen Haltung gegen Russland. Die Dämonisierung der russländischen Interessen als revisionistische Agenda ist ein Aufruf zur Rückdefinition der NATO als Bündnis der kollektiven Verteidigung gegen Russland. Russland ist bisweilen mit Misstrauen und Argwohn zu begegnen; auch die russische Außenpolitik ist, wo sie kann, nüchterne Interessenpolitik; diese ist allen Staaten gemeinsam. Gegensätzliche Interessen auszugleichen ist aber nützlicher, als sie mit aggressiver Frontrhetorik abzuwehren.

So nachvollziehbar die Haltung der Autoren des Offenen Briefes aus der geschichtlichen Erfahrung auch sein mag – sie ist nachhaltig schädlich für einen konstruktiven Dialog. Die Lasten der Vergangenheit dürfen die Haltung der USA und der EU zu Russland nicht in Geiselhaft nehmen. Aber genau darum geht es den Autoren: Die strategische Relevanz des östlichen Europa sehen die Autoren offenkundig im antagonistischen Verhältnis zu Russland; die Abgrenzung zu Russland wird zum identitätsstiftenden Element; die osteuropäische Region soll gleichsam strategisch aufgewertet werden, in dem sie zur Frontlinie gegen Russland wird. Seit 1989 ist denn auch aus der Region kaum ein konstruktiver Beitrag zu einer europäischen Russlandpolitik zu vernehmen gewesen. Es ist verstörend und ärgerlich, wie osteuropäische Akteure immer wieder Ansätze zu einer realistischen Annäherung zwischen den USA, den europäischen Staaten und Russland zu torpedieren versuchen. Das wiederkehrende Ritual der apokalyptischen Weltendeutung und der Ausgrenzung Russlands als das barbarisch-asiatische Andere ödet an. Obamas Kurs des Interessenausgleichs mit Russland verdient Zeit und nachhaltige Unterstützung.

Foto: Die Presse

Der Kommentar erschien in leicht modifizierter Form am 21. Juli 2009 in der Tageszeitung ‘Der Standard

21 thoughts on “… rückkehr der kalten krieger …”

  1. von karl heiden (19.7.2009, 12:34 p.m.)

    Zur Beruhigung der Gemüter: Die Autoren des Briefes sind samt und sonders “abgehalfterte Akteure” und für die aktuelle Lage nicht mehr relevant. Barack Obama wird das Schreiben wohl lesen, aber anschließend ad acta legen. Er braucht Russland für die Nachschub-Überflüge nach Afghanistan. Islamistischer Terror ist die Agenda des 21. Jahrhunderts – und nicht der “Kalte Krieg” aus dem vorigen!

  2. von susanne (19.7.2009)

    Wie Sie meinen, Herr Heiden, aber beruhigt haben Sie mein Gemüt nicht, sondern eher aufgewühlt. Sie haben sicher Ihre Gründe, sich der Meingung Herrn Mangotts anzuschließen, ich tue es nicht.
    Ich verstehe so manche Punkte der Argumentationsweise von Prof. Mangott nicht, am wenigsten ist es die bedingungslose Verteidigung allen russischen Handelns, denn bei aller Liebe für dieses Land, die auch ich persönlich empfinde, beischleicht mich selbst des Öfteren das blanke Grauen bei militärischem und politischem Vorgehen dieser ehemaligen Supermacht. Diese Argumentationsweise enthält so viele Lücken und Fehler und ist derartig gezeichnet von einer voreingenommenen und zutiefst parteiischen Haltung und erhebt völlig zu unrecht den absoluten Anspruch der objektiven Wissenschaft, die es meiner Ansicht nach nie geben kann.
    Diese “abgehalfterten Akteure” haben einige große Verdienste für die Demokratisierung ihrer Länder erzielt und die alleinige Äußerung von Misstrauen Russland gegenüber, ist meiner Ansicht nach kein lächerlicher und den Kalten Krieg belebendeer Akt. (Aber mit Sicherheit bin ich nicht die kompetenteste Person, um politische Zusammenhänge fundiert zu analysieren)
    Die politischen Meinungen Herrn Mangotts aber, Russland betreffend, die ich wirklich beurteilen kann, sind teilweise irrational.
    Neben dem Islamistischen Terrorismus gibt es Bedrohungen großen Aussmaßes, mit welchen sich jedoch die ganze Welt einverstanden erklärt und nicht als solche wahrnimmt. Unzählige Menschen sterben an den Folgen ungerechter Lebensmittelverteilung und Armut ist ein Faktor, der die Sicherheit enorm destabilisiert.
    Dem Terrorismus mit Krieg zu begegnen, bedeutet, in diesselbe Kerbe zu schlagen, denn Unschuldigen wird das Leben genommen und Schrecken, Anarchie und Rechtlosigkeit wird verbreitet. Es gibt wohl wenige Konzepte, die an Logik und strategischem Geschick (um die Menschlichkeit nebenbei zu erwähnen) ärmer wären als dieser Krieg “gegen” den Terrorismus, weil es in Wahrheit eine Stärkung und Heraufbeschwörung ebendessen ist.
    Sie sehen Herr Heiden, dass diese Äußerungen mich wütend und traurig zugleich stimmen.

  3. Selten so einen Unsinn gelesen.

    Der “kalte Krieger” ist Russland mit “KGB Putin” an der Spitze und sonst niemand.

    Wenn es den kalten Krieg tatsächlich nicht mehr gibt, dann geht es Russland nichts an, was die osteuropäischen länder machen. Dann ist eine Radaranlage in Tschechien genauso legitim wie eine Radaranlage in München oder eine US kaserne in Rammstein.

    Aber wie man sieht ist der Kalte Krieg für Putin noch längst nicht vorbei und russland will weiterhin bestimmen was Prag oder Warschau zu un oder zu lassen hat.

    Auch der Westen steckt noch tief in der alten Überzeugung wonach Russland das recht hat mitzubestimmen was in Osteuropa passiert. So alsob die länder irgendwelche Russischen Kolonien wären.

    einfach beschämend.

  4. “… und sonst niemand”? Aber doch! Der zuvor – anonym – sich zum Wort (und blog-Eintrag) gemeldete “gast”, der sich “beschämt” über “Unsinn” empört.

  5. …und Sie sind nicht anonym, Ihr Name ist also tatsächlich Karl Heiden und Ihr Bedürfnis, Trägern kritischer, provokativer und von der Ihrigen abweichenden, Meinung Resekt zu zollen, wohl übersteigert…

  6. @ Susanne

    Mit Verlaub, ich pflege mich nicht hinter Anonymität oder einem Pseudonym zu verstecken, sondern zu meiner Meinung offen zu stehen (das geht übrigens auch ohne Schmisse im Gesicht!). Daher achte ich auch die ebenso offen geäußerte Meinung Anderer (ganz im Sinne Voltaires).

  7. Zu den Fakten: die New York Times, 20 July 2009

    http://www.nytimes.com/2009/07/21/world/europe/21iht-politicus.html

    meint, es handle sich um wesentlich mehr, als um die Außenseiter-Meinung einiger gealterter osteuropäischer Antikommunisten. Und Recht hat sie damit. Genauso ist Prof. Mangotts Analyse und Einschätzung zutreffend, daß es sich dabei um einen Versuch handelt, den außenpolitischen Paradigmenwechseln von Bush zu Obama zu hintertreiben.

    Mangott schrieb “Die grundsätzliche Ausgrenzung Russlands wird damit zum strategischen Axiom.” Ich sehe das ganz genauso. Ich konstatiere jedoch ebenso, daß diese Position mancher osteuropäischer NATO- und EU-Staaten (bzw. Kandidaten) im Rest Europas nicht konsensfähig ist und auch auf absehbare Zeit nicht sein wird.

    @ gast: Auch Geschichtskenntnisse wären hilfreich. Wenn Sie schon mit Putin als (untergeordnetem) Ex-KGB-Mann argumentieren.

    George Herbert Walker Bush war kein untergeordneter CIA-Agent, sondern dessen Chef zuvor. Auch damals schon wurde von dieser Agentur gefoltert und waterbording betrieben, natürlich nur für “die gute Sache” und nicht für “die schlechte”. Von der Iran-Contra-Affäre der CIA, dem Putsch gegen Mohammad Mossadegh 1953 im Iran (Operation Ajax), der Operation Phönix im Vietnam-Krieg, den Staatsstreichen und der Unterstützung von Militärdiktaturen in Mittel- und Lateinamerika, dem Gladio-Netzwerk innerhalb der NATO, der Unterstützung der griechischen Militärdiktatur usw. usf. wollen wir erst gar nicht anfangen.

    Großmachtpolitik ist immer interessensgeleitet und nur theoretisch am kantianischen kategorischen Imperativ zu messen …

    Und über die Hekatomben von Leichen mit denen eine “Demokratisierung” des Irak herbei geführt werden sollte und nun eine solche Afghanistans – die gänzlich unmöglich ist – kann ich nur verzweifelt mit den Schultern zucken.

  8. Herr Professor Mangott,
    ich hoffe, die schwierige Aufgabe zu meistern, meine Kritik so angemessen anzubringen, dass ich den Ihnen gebührenden Respekt mittransportiere, eine Frage der Formulierung also.
    Ihr Beitrag zur Einschätzung von politischem und wirtschaftlichem Vorgehen Russlands in Österreich und über die Landesgrenzen hinaus ist ein wesentlicher, weil Sie die Seite sozusagen von Osten her beleuchten und Dinge bewusst machen, die ohne diese Ergänzungen ganz anders gesehen würden. Konkret meine ich etwa die Gaskrise im letzten Winter, zu der Sie ständig befragt wurden. Sie visualisieren die russ(länd)ischen Interessen sehr gut, tragen wesentlich zu einem ausgewogenen Verständnis für manche Aktionen dieses Landes bei und das sind große Verdienste!
    Dennoch finde ich, dass die Rechtfertigung und hier besonders jene von kriegerischen Auseinandersetzungen Russlands ihre Grenzen hat.
    Hier meine ich konkret Tschetschenien und Ihre Bewertung des zweiten Krieges, die mich nicht loslässt. Sie haben zwei Aufzeichnungen von Nachrichtensendungen auf diese Seite gestellt, und ich empfinde Ihre Argumentation darin lückenhaft und beinahe dreist, weil ich mich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt habe und nicht völlig Ihrem Wort glauben schenken muss. Diese Ihre Stellungnahmen verzerren die Realität und liefern ein Bild, das nur innerhalb glänzender Rhetorik Bestand hat.
    Und das ist wider die Vernunft.

  9. Ich entschuldige mich für meinen aggressiven und missglückten Versuch Zivilcourage zu üben, verteidigen kann sich ja jeder selbst, tun Sie es mir also bitte gleich und nehmen Sie Ihre unpassenden Formulierungen zurück Herr Karl Heiden!

  10. @ Susanne: Ich wüsste nicht, sehr geehrte Frau Susanne, wofür ich mich bei Ihnen entschuldigen sollte und möchte auch diesen wichtigen blog nicht mit einem überflüssigen Rechtfertigungsdialog strapazieren. Denn persönlich beleidigt kann ich Sie fürwahr nicht haben.

  11. Герхард Мангот | Der Standard
    Возвращение воинов холодной войны

    Как известно, 17 июля несколько бывших видных политиков Восточной Европы – среди них Вацлав Гавел и Лех Валенса – опубликовали на страницах польской Gazeta Wyborcza открытое письмо Бараку Обаме. В нем они выступили против ухода США из Восточной Европы и подвергли критике США и НАТО за бездействие в прошлом году, когда Грузия стала жертвой “российской агрессии”. Авторы письма категорически против уступок России. Россия, считают они, это “ревизионистская сила”, которая не признает суверенитета восточноевропейских государств. Она прибегает к запугиваниям, манипуляциям и подкупу, а также использует энергетическую зависимость этих государств как средство давления.

    НАТО, настаивают авторы письма, должно вспомнить о своей первоначальной цели – коллективной обороне собственных членов – и, основываясь на обновленной самоидентификации, выработать программу на случай реальной угрозы новым членам. Они также полагают, что необходимо пересмотреть суть Совета Россия-НАТО: это не место для дискуссий, говорится в послании, скорее НАТО должно противостоять России с заранее скоординированных позиций. В конце письма содержится настоятельная рекомендация американской администрации не отказываться от планов по размещению элементов системы ПРО в Польше и Чехии, поскольку это подорвет доверие региона к США.

    Сегодняшняя Der Standard публикует комментарий к данному письму. Герхард Мангот, политолог и профессор университета Инсбрука, обращает внимание на позицию бывших политиков Восточной Европы в отношении системы ПРО. С точки зрения “воинов холодной войны”, ПРО является защитой от России, и во внимании США к российскому недовольству они видят “стратегическое грехопадение”, а в диалоге и попытке всерьез отнестись к возражениям России – слабость. Принципиальное отграничение от России становится, таким образом, стратегической аксиомой.

    “Данное открытое письмо, – пишет Мангот, – это не что иное, как призыв к политике конфронтации, демонизация России и возврат к прежнему пониманию роли НАТО как союза коллективной защиты от “российской угрозы”.

    Антагонистическое отношение к России, говорится далее в статье, опирается на исторический опыт авторов письма, но, как считает австрийский политолог, оно наносит вред конструктивному диалогу – Восточная Европа не должна превращаться в линию фронта. Манготу не по душе, что восточноевропейские лидеры уже в который раз пытаются помешать сближению между Вашингтоном, европейскими государствами и Москвой, и он призывает поддержать курс Обамы на баланс интересов с Россией.

  12. Kein Problem Karl, ein blog ist ein interessantes Spiel und die Dynamik, die das Ganze erhält und in welcher auch ich mich wiederfand, ist für Reflexionen äußerst spannend. Nichts für ungut, Sie haben mich wirklich nicht persönlich beleidigt!

  13. Herr Professor,
    ich persönlich kann jetzt mit dem russischen Text nicht viel anfangen, trotz meiner schlechten Kenntnisse dieser wirklich tollen Sprache habe ich den Inhalt nun soweit verstanden, dass es sich wahrscheinlich um einen Artikel in einer russischen Zeitung mit demselben Inhalt wie Ihr Blogeintrag, also dem Standardartikel, handelt. Wollten Sie einfach den russischsprachigen Lesern Ihrer Seite einen Tеxt in ihrer Muttersprache präsentieren?

    Ich wollte mich jetzt schlussendlich aber für den Platz, den ich hier einnehmen durfte bedanken und glaube, vieles los geworden zu sein, was mich beschäftigte. Das ist mehr, als ich mir erwarten konnte und ich freue mich darüber!

    Mit großer Freude verfolge ich die Entwicklungen der Kultur Russlands, es ist so ein weites Land…
    …und besonders der Klang der Sprache bereitet mir Vergnügen, meiner Ansicht nach ist russischer Rock – Nautilus Pompilius etwa – sehr zu empfehlen. 🙂

    Уважаемый господин Мангот,
    Я желаю вас всего хорошего в науке и счастья в жизни!
    до свидания.
    Сюсанне

  14. @ susanne.
    Ich danke Ihnen herzlich für Ihre wünsche, die ich sehr gerne entgegne.
    ja, der text ist für meine russischsprachigen blog-besucher gedacht.
    nautilus pompilius war in den späten achtziger jahren meine liebste sowjetisch/russische band

  15. Wie schnell der altruistische Anspruch einer heuchlerisch vollzogenen „prinzipiengeleiteten“ Außenpolitik zu relativer Pragmatik pendelt – ja an dem Felsen knallharter Realpolitik zerbricht, lässt sich doch gerade an diesem Brief bestens exemplifizieren. Zwischen den Zeilen gelesen ist dieser Brief nur Ausdruck einer Frustration, Ausdruck der schmerzbereitenden Einsicht einiger ergrauter Antikommunisten und nationaler Wiedergeburtsanbeter dass die Zeiten in welchen man blind mit dem Zeigefinger auf Moskau zeigen konnte und trotzdem glaubwürdig blieb vorläufig ein Ende gefunden haben. Wenn der einst gefeierte georgische Despot im Präsidentenamt heute international diskreditiert ist und ein US Vize-Präsident signalisiert dass er sich eine Präsidentschaft von Janukowitsch, dem angeblichen Kandidat Moskaus (so die westliche Journaille) in der Ukraine vorstellen kann (siehe: http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/497137/index.do?direct=497136&_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do&selChannel= ), dann ist offenbar viel in Bewegung geraten. Der noch amtierende NATO Generalsekretär tritt plötzlich gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine und Georgien auf (siehe: http://www.rbcdaily.ru/2009/07/22/focus/423896 ), Lukaschenkos Regime wird unerwartet schnell mit barmherziger Milde seitens der EU begegnet, selbst der Heilige Stuhl empfang den Bat’ko von Minsk und seinen Sohn vor mehreren Wochen zu einer päpstlichen Privataudienz. Aber auch die Finanzkrise und der rasende ökonomische Verfall der Ukraine der auch österreichische Kreditinstitute mitreißen kann (und wird) macht den Verweis auf den Kreml als Erklärungsmuster für Probleme geradezu absurd: Eher im Gegenteil, die ukrainische Politik wird vermehrt für erpresserisch befunden, insbesondere was die Vorschrift betrifft nach welcher Rückstellungen ausländischer Banken in der Ukraine in ukrainischer Währung zu erfolgen haben. Und letztlich wird auch die Errichtung des Raketenabwehrsystems in Osteuropa nicht durch die geistig-spirituellen Ergüsse und den schier unermesslichen Ratschluss (Vorsicht, Ironie!) des alten Vorsitzenden der Danziger Werftsgewerkschaft entschieden: Vielmehr stellt sich die Frage ob die USA, die innerhalb von vier Monaten aufgrund der Krise ihren Geldbestand durch Notendruck verdoppelte (sic!) überhaupt finanziell dazu noch in der Lage ist.
    Daher lautet meine Frage an Prof. Mangott und die Forumsgemeinde ob nicht dieses Briefchen ein wenig an Relevanz für die Beziehungen zwischen Europa, den USA und Russland entbehrt. Handelt es sich hier nicht vielleicht um heiße Luft die zu diskutieren doch fast überflüssig erscheint? Nicht einmal alle politischen Eliten in Osteuropa selbst unterstützen diesen Vorstoß, darunter der ehemalige slowakische Premier Ján Äarnogurský (siehe: http://www.rozhlas.sk/inetportal/rsi/core.php?page=showSprava&id=19191&lang=3 )

  16. funny or not, but this “ominous” letter was hardly noticed in Russia (I mean Russian media – opposition oriented or not)…
    the article of Prof.Mangott, however, was translated very quickly – the morning it came out in Der Standard and the media, which publoished it – is one of the leading ones in RF.
    well written, Professor! 🙂

  17. Kein Wunder, dass der ominöse Brief in der RF kaum zur Kenntnis genommen wurde. Gilt er doch als Versuch, den Beginn einer Neuorientierung des Verhältnisses der RF zu den USA zu hintertreiben. Umso mehr Beachtung fand er hingegen – erwartungsgemäß – in den Medien des Baltikums, Polens und Tschechiens, also der “üblichen Verdächtigen”. Aber man kann allseits beruhigt bleiben: Das (wirtschaftliche) Sein (Krise samt Folgen) wird überall das Bewußtsein bestimmen und etwaige Scharfmacher zur Räson bringen bzw. kleinlaut werden lassen.

  18. “Daher lautet meine Frage an Prof. Mangott und die Forumsgemeinde ob nicht dieses Briefchen ein wenig an Relevanz für die Beziehungen zwischen Europa, den USA und Russland entbehrt. Handelt es sich hier nicht vielleicht um heiße Luft die zu diskutieren doch fast überflüssig erscheint?”

    Letztendlich weiß das erst der Historiker (dann, wenn es keinen Zeitgenossen mehr wirklich interessiert – oder nur mehr die Medien daraus einen hype machen), so wie es auch der Pathologe weiß, wenn es um physische Fehlfunktionen geht 😉

    Letztere sind post mortem immer leichter zu diagnostizieren als ex ante oder auf der Höhe der Zeit. Dies ist mE ein echtes Paradoxon:

    Das Nicht-Erkennen-(Können /Wollen) scheinbar ganz langsam ablaufender Prozesse auf der Augenhöhe des Zeitgenossen, die jedoch unmittelbar seinem Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozeß zugänglich sind (und seinem Analysevorgang zugänglich sein sollten), bei gleichzeitiger kognitiver Dissonanz (wenn man freundlicher Weise von Freud und seinen Folgen absieht).

    Die letzten zwei bedeutendsten Ereignisse diesbezüglich waren wohl der 9. Nov 1989 und 9/11. Da waren zuvor scheinbar “historische Schneckenprozesse” in Bewegung geraten, die zu “Geschichtsbeschleunigern” wurden. Die Prognosefähigkeit war mehr als gering.

    Ohne weiter ins Erkenntnistheoretische abschweifen zu wollen. Der Paradigmenwechsel der US-Außenpolitik gegenüber der RF scheint für mich mit aller Vorsicht zumindest angedeutet und in einem vorsichtigen Prozeß der Umsetzung zu stehen:

    Eine neue vorläufige Übereinkunft über strategische Nuklearwaffen (START-Folge-Abkommen), auch wenn dieses bis Ende des Jahres nicht vollständig ausverhandelt sein sollte);

    Ein möglicher Verzicht der USA auf MD in Osteuropa (in technischer Sicht wohl schon längst erkannt von den Obama nahestehenden Think-Tanks), aber als diplomatischer bargain-chip noch immer wichtig. Auch NMD in Alaska und die boost-phase air borne laser wurden bereits zurückgestutzt.

    Die Obama-Regierung hat mehrfach die RF als ernsthaften Partner bezeichnet und ist sich sehr wohl bewußt, daß in zentralen Krisenregionen (Afgh, Pak, Iran) es mit der RF besser ginge, als ohne. Das stellt, sagen wir mal einfach, einen Erkenntnisfortschritt vom Mittelalter zur Renaissance dar. Immerhin schon etwas.

    @ Gerhard. This is not say that there is now a new honeymoon between Obama admin and RF, rather than the dance of geopolitical influence in Eastern Europe has gotten a new style and notion. In my perception and analysis we are on a silent deescalation path, ricochets put aside. What you think?

  19. auch der Ausdruck gegenseitiger Zuneigung hat nichts mehr verloren, wenn ich schon, gebrochenen Herzens zensuriert wurde und meine ganze Energie, die mich die Formilierung dieser Einträge kostete, unter meinen Fingern zerrinnt…

  20. Die Abneigung nicht nur Russlands und der USA dürfte jetzt ja endlich nach dem Kalten Krieg sich in Respekt und in weiterer Folge erneut in Zuneigung transformieren. Zumindest ist das eine Hoffnung…

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