Ein Fünf-Fronten-Krieg gegen Israel?

Der brutale terroristische Angriff der radikal-islamistischen palästinensischen Hamas auf Israel, die wahllose Ermordung von israelischen Zivilisten, die Entführung von Israelis und die erschreckende Grausamkeit des Vorgehens der Terroristen hat viele Menschen erschüttert. Die Hamas hat dabei zahlreiche Normen des humanitären Völkerrechts gebrochen. Israel hat bislang mit einem Luftkrieg gegen den Gazastreifen geantwortet. Israel hat das ungebrochene Recht auf Selbstverteidigung nach Art.51 der Charta der Vereinten Nationen. Von der israelischen Armee wurde die völlige Abriegelung des Gazastreifens verkündet: kein Wasser, keine Nahrungsmittel, kein Strom und kein Treibstoff werden mehr nach Gaza durchgelassen. Diese Blockade ist natürlich auch ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Wird der Gaza-Streifen aber die einzige Frontlinie bleiben, an der Israel kämpfen muss, oder droht ein Krieg an gleich mehreren Fronten.

Die von Iran finanzierte und militärisch ausgerüstete libanesische Schiitenmiliz Hizbullah hat seit dem 7. Oktober vereinzelt immer wieder Raketen auf israelisches Territorium abgefeuert. Sollte die Hizbullah eine Großoffensive starten, wäre Israel auch im Norden unter der Attacke von Terroristen. Die Hizbullah, die von der libanesischen Regierung nicht kontrolliert werden kann, ist gut ausgerüstet und hat auch genügend Kämpfer – auch wenn viele Kämpfer der Miliz im Krieg in Syrien gefallen sind. Ein voller Angriff auf Nordisrael würde eine große Zahl an Personal, Waffen und Munition der israelischen Armee dort binden. Die Ressourcen für den Luftkrieg in Gaza und eine mögliche Bodenoffensive im Gazastreifen würden dadurch geringer. Derzeit gilt es aber als unwahrscheinlich, dass die Hizbullah eine groß angelegte Attacke gegen Israel starten wird; sollte Israel eine Bodenoffensive gegen Gaza starten, könnte sich das Kalkül der libanesischen Miliz aber verändern.

Befürchten muss Israel auch Aufstände in dem von der Palästinenserorganisation PLO kontrollierten Westjordanland. Die dort in Ramallah beheimatete Palästinensische Autonomiebehörde unter der Führung des, seit langem nicht mehr demokratisch legitimierten, Mahmoud Abbas, könnte die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel aufkündigen. Hält sich die Autonomiebehörde aber zurück, können radikale Palästinenser aus Sympathie mit der Hamas Terroranschläge verüben oder gar einen Aufstand – eine dritte Intifada – auslösen. Letzteres würde für Israel eine dritte Front bedeuten. Terroranschläge im Westjordanland sind durchaus möglich, ein Volksaufstand ist derzeit aber nicht wahrscheinlich.

Möglich wären auch vereinzelte militärische Attacken durch, vom Iran finanzierte und ausgerüstete, Schiitenverbände von syrischem Territorium aus. Solche Angriffe haben in den letzten Jahren immer wieder stattgefunden. Israel antwortete darauf regelmäßig mit Luftangriffen auf iranische Stellungen in Syrien.

Dramatisch aber wäre, wenn sich der Iran direkt militärisch in den gegenwärtigen Konflikt einmischen würde. Die Beziehungen zwischen Israel und Iran sind gleichsam nicht vorhanden. Der Iran lehnt das Existenzrecht für Israel ab und spricht über das Land als „zionistisches Gebilde“, das ausgeschaltet werden müsse.  Deswegen ist Israel auch so besorgt über ein mutmaßlich militärisches Nuklearprogramm des Iran. Israel beteuert zwar öffentlich, dass es keine Belege dafür gebe, dass Iran hinter den Hamas-Attacken stehe, aber das ist wohl nur der Versuch, die Spannungen mit Iran nicht weiter aufzuheizen. Sollte der Iran direkt militärisch in Palästina eingreifen und damit eine potenzielle fünfte Front gegen Israel eröffnen könnte, wird Israel nicht nur gegen palästinensische Kämpfer und Terroristen kämpfen müssen, sondern auch einen zwischenstaatlichen Krieg führen müssen. Für diesen Fall – der aber nicht wahrscheinlich ist – würden dann aber zusätzliche Länder in den Krieg eingreifen, allen voran die USA. Von Israel und den USA würden dann wohl Luftangriffe gegen verbunkerte iranische Nuklearanlagen gestartet werden.

Angesichts dieser potenziellen Eskalationsrisiken, sollte durch internationale Vermittlung dringend ein Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel erreicht werden. Derzeit wollen sich aber weder die Hamas noch Israel auf ein solches Szenario einlassen.

Photo credit: https://www.derpragmaticus.com/r/israel-terror-und-voelkerrecht

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.