BRICS: Format mit Widersprüchen

Lange schon treibt die russische Führung das Ziel einer multipolaren globalen Ordnung um. Dem bröckelnden Hegemonialanspruch der USA sollen mächtige Gegenpole entgegengestellt werden. Ein Format, das diesem Ziel dienen soll, sind die BRICS – die fünf Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Diese lange aufstrebenden Volkswirtschaften halten seit 2009 jährliche Treffen ab – zuletzt vor wenigen Tagen unter dem Vorsitz Chinas, wenn auch nur als Videokonferenz.

In den BRICS-Staaten leben 3,21 Milliarden Menschen; das sind 42,5 Prozent der Weltbevölkerung. Das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt, gemessen in Kaufkraftparitäten, macht 32 Prozent der globalen Wertschöpfung aus. Das unterstreicht die Relevanz dieses Formates.

Auf der letzten Konferenz der BRICS betonten die Staatenlenker wieder einmal die Achtung der Souveränität von Staaten als Kernaufgabe. Die Einmischung in innere Angelegenheiten wird von allen lautstark zurückgewiesen. Dabei zeigt doch gerade Russland, dass es für sich volle Souveränität reklamiert, aber die Souveränität seiner Nachbarn ständig untergräbt; mehr noch, die Eigenstaatlichkeit der Ukraine durch einen gewaltsamen Überfall gänzlich auslöschen möchte.

Die BRICS bekennen sich auch immer wieder zu einer Reform des Sicherheitsrates (SR) der Vereinten Nationen. Der Sicherheitsrat sei nicht mehr repräsentativ für die gloable Machtverteilung; zusätzliche Staaten sollen ständige Mitglieder mit Vetorecht werden. Das sind im Rahmen der BRICS natürlich Indien, Brasilien und Südafrika. Aber auch diesbezüglich schaut die Realität anders aus. China ist kategorisch gegen die Aufwertung Indiens mit einem ständigen Sitz im SR. Ein weiterer innerer Widerspruch dieser infomellen Allianz.

Die BRICS rufen auch immer wieder zur Zusammenarbeit aller Staaten beim Schutz der Menschrenrechte und der Grundfreiheiten auf – mit dem beachtenswerten Zusatz, dass dies auf der Basis von Gleichheit und gegenseitigem Respekt passieren würde. Das bedeutet letztlich, dass diese fünf Staaten die Universalität der Menschenrechte aushöhlen wollen. Nationale Traditionen und Werte, Vorbehalte also, sollten bei der Umsetzung der Menschenrechte berücksichtigt werden. Die Achtung zahlreicher menschlicher Grundfreiheiten ist gerade in Russland und in China gering.

Im Kern geht es den BRICS schließlich auch um die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Handel zwischen diesen fünf Staaten hat sich in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Mit der BRICS Development Bank hat dieses Format auch ein finanzielles Instrument, um Infrastrukturprojekte in den Mitgliedsstaaten voranzutreiben. Dennoch sind einige der BRICS Mitglieder derzeit wirtschaftlich angeschlagen: Russland schlittert dieses Jahr in eine starke Rezession, das Wachstum Chinas leider unter der Corona-Pandemie.

Im Kern sind die BRICS ein Format der losen politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber keine Allianz. Zwischen den BRICS Staaten gibt es erhebliche Differenzen. Das gilt vor allem für den offenen Territorialkonflikt zwischen China und Indien. Indien sieht sich durch den militärischen Aufstieg Chinas bedroht. Daher hat Indien, das gute und enge Beziehungen mit Russland unterhält, kein Interesse daran, die BRICS in ein antiwestliches Instrument zu verwandeln. Indien hat sich in den letzten 15 Jahren zusehend gegenüber den USA geöffnet und ist seit 2017 auch Mitglied des Quadrilateral Dialogue, QUAD genannt. Das ist eine lose Sicherheitsvereinbarung zwischen den USA, Australien, Japan und eben Indien. Die QUAD ist ganz klar gegen China gerichtet. Daher ist die Mitgliedschaft Indiens in den BRICS eben sehr zurückhaltend zu bewerten.

Russland und China, die an einer Beendigung der US-Hegemonie in der internationalen Politik interessiert sind, nutzen die BRICS als eines von mehreren Instrumenten, um dieses Ziel zu erreichen. Das Format ist aber sicher nicht das wichtigste und entscheidende Instrument. Die Zusammenarbeit der BRICS Staaten muss vom Westen genau beobachtet werden; Furcht davor, muss der Westen aber nicht haben.

Der Beitrag ist am 30.6. auf focus.de publiziert worden (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/gastbeitrag-von-gerhard-mangott-gefaehrliche-informelle-allianz-warum-wir-den-brics-gipfel-nicht-ignorieren-duerfen_id_108193605.html)

Photo Credit: https://www.dw.com/de/die-brics-staaten-und-ihre-haltung-zu-russland/a-61280242

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