Sanktionen und ihre möglichen Folgen

Die Europäische Kommission hat am 24. Juli eine Studie über weiterreichende Sanktionen gegen Russland vorgelegt. Erwähnt sind dabei u.a. der erschwerte Zugang russischer Banken mit mehrheitlicher Staatsbeteiligung zum europäischen Kapitalmarkt, das Lieferverbot für Schlüsseltechnologien auch im Energiesektor, ein Embargo für Rüstungslieferungen und ein Exportverbot für zivil-militärisch nutzbare Komponenten.

Diese Sanktionen werden die Botschafter der EU-Staaten beschliessen, wenn Russland die Forderungen der EU nicht erfüllt: die unbehinderte Untersuchung der Absturzzone der MH17 durch internationale Experten und die Mithilfe Russland bei der Aufklärung, ein Ende der Lieferungen russischer Waffen an die ostukrainischen Rebellen und das Einsickern russischer Söldner und eine wirksame Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze.

Die Zahl der Staaten in der EU, die gezielte Handels- und Finanzsanktionen gegen Russland befürworten, hat deutlich zugenommen. Die vehementesten Verfechter sind die Niederlande, Schweden, die baltischen Staaten, Polen und das Vereinigte Königreich. Österreich, das so lange zögerlich war, wird sich dem Beschluss nicht verschließen.

Die vorbereiteten Sanktionen werden der russischen Wirtschaft vehement schaden. Daran besteht kein Zweifel. Sanktionen sind aber nicht vorrangig dazu da, einen Staat zu bestrafen. Politisch sinnvoll sind Sanktionen dann, wenn sie den betroffenen Staat zu einer Verhaltensänderung zwingen. Im konkreten Fall aber ist nicht sicher, dass Russland bei harten Sanktionen einlenken würde. Es ist vielmehr das Risiko hoch, dass sich die russische Position dann verhärten könnte. Wenn Russland nichts mehr zu verlieren hat, kann es die bewaffnete Auseinandersetzung auch eskalieren. Die Kämpfe in der Ostukraine könnten dann zu einem direkten Waffengang zwischen Russland und der Ukraine werden. Putin wird nie akzeptieren, sein Gesicht zu verlieren. Die Rebellen fallen zu lassen, käme aber einer auch in Russland selbst erkennbaren Niederlage des Präsidenten gleich. Das gilt es zu berücksichtigen, wenn nach einem, zunächst sehr einleuchtenden, Verhängen von Sanktionen gerufen wird.

Sanktionen würden auch dafür sorgen, dass die russische Bevölkerung die Reihen noch dichter hinter Vladimir Putin schließen wird. Natürlich kann man vermuten, dass bei einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage als Folge der Sanktionen mittelfristig die Unzufriedenheit zunehmen wird. Das muss aber keinesfalls so eintreten. Die Leidensfähigkeit des russischen Volkes angesichts ausländischer Aggressionen – so werden die Sanktionen nach Innen auch vermittelt werden – ist bekannt.

Innerhalb der wirtschaftlichen und politischen Eliten könnten harte Sanktionen zwar zu weiterer Unruhe und zunehmender Kritik führen. Liberale in den Führungskadern haben bereits vorsichtig auch öffentlich Kritik am Kurs Russland geübt. Allerdings scheint die “Partei des Krieges” derzeit deutlich stärker und die Haltung Putins zu eindeutig.

Die Staaten der EU werden bei Verhängung sektoraler Handelsbeschränkungen Einnahmensverluste und den Verlust von Arbeitsplätzen hinnehmen müssen. Russische Gegenmaßnahmen sind als Kosten für die Verhängung der Sanktionen weniger zu fürchten. Nicht weil Russland keine verhängen würde oder könnte, sondern weil Russland der EU nicht so stark schaden kann, ohne sich damit selbst viel härter zu schaden. Das Szenario, dass Russland die Gaslieferungen an die EU einstellen könnte, ist nicht vorstellbar.

Russland könnte sich daher einen anderen Adressaten für Gegenmassnahmen aussuchen – die Ukraine. Russland hat schon längst tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse für die ukrainische Wirtschaft verhängt. Der wirtschaftliche Ruin der Ukraine ist ein strategisches Ziel Russlands, wenn die ukrainische Führung nicht einlenken und russische Forderungen erfüllen sollte. Im Falle von harten Sanktionen der EU, könnte Russland diese Handelsbeschränkungen noch deutlich ausweiten. Russland könnte aber auch – und das ist sein stärkstes Instrument – beginnen, ukrainische Gastarbeiter aus Russland auszuweisen. Dadurch würde ein immenser wirtschaftlicher Schaden für die Ukraine entstehen. Die finanzielle und wirtschaftliche Stabilisierung der Ukraine – unter anderem durch die EU – könnte damit noch erheblich teurer werden. Das wäre ein sehr hoher Preis, den die Europäer zahlen müssten.

Foto: http://www.tradeandexportme.com/2013/11/whats-the-latest-in-trade-finance/

9 thoughts on “Sanktionen und ihre möglichen Folgen”

  1. Sehr geehrter Herr Mangott,
    vielen Dank für den Interessanten Beitrag zum Thema Sanktionen. Besonders zu den Wechselwirkungen von Russland-Ukraine Sanktionen stellen sich mir ein paar Fragen, bei denen Sie mit hoffentlich weiterhelfen können:
    Die Handelshemmnisse haben sie richtig prognostiziert werden weiter verschärft gegenüber der Ukraine und (mit möglichweise auch vorhandenen) Qualitätsmängeln begründet. Die Ukraine braucht Devisen und ist auf Exporte angewiesen. Meine Frage hierzu: Kann Russland einfach “auf alles” aus der Ukraine verzichten? Bzw. in wie weit versorgt die Ukraine Russland mit “billigen” Lebensmitteln, in wie weit besteht ein russischer Bedarf an ukrainischen Produkten? Ohne Zugriff zu den preislich zweifelsfrei günstigeren Produkten der Ukraine sollten die Preise für Lebensmittel in Russland steigen. (Mit Produkten aus Moldau oder Georgien will man das wohl eher nicht ausgleichen.
    Zu den Ukrainern, die in Russland arbeiten: in welchen Branchen arbeiten sie hauptsächlich? gemeint ist privatwirtschaft oder staatsunternehmen? Wie ist ihre Ausbildung? Höher oder niedriger als der russische Durchschnitt? Also sind sie leicht zu ersetzen oder nicht?

    Dabei sind das Maßnahmen, die wie sie bereits geschildert haben kurz bis mittelfristig einen großen Schaden anrichten, sich langfristig aber gegen Russland richten können. Z. B. Fachkräftemangel auslösen, weiter verstärkter Zuzug aus ehemaligen Sowietrepubliken Mittelasien, die im nationalistischen Klima für Spannungen sorgen können. Umorientierung der Ukraine auf andere Märkte in Asien, ggf. Südamerika. Sind diese Kosten verschmerzbar im Vergleich zu dem, was die Folgen sein könnten?
    Darüber hinaus könnte das Ausweisen der Ukrainer einen regelrechten “Wirtschaftskrieg” auslösen mit Verstaatlichungen von russischen Investitionen und (Staats-)Besitz in der Ukraine und umgekehrt in Russland. Wäre so eine Konfliktspirale denkbar?

    Vielen Dank für Ihre Antwort.

  2. Der wirtschaftliche Ruin der Ukraine war mit dem Putsch in Kiew bereits besiegelt und ist seither ein Faktum.
    Russland wird auch in absehbarer Zeit nur auf US – Sanktionen reagieren, jedoch nicht auf EU Sanktionen.
    Allfällige weitere Sanktionen seitens Russlands in Richtung Ukraine sind nicht notwendig oder Zielführend.
    Russland wird alle Tricks auspacken um die USA ohne Nato vor`s Rohr zu bekommen.
    p,s, Diese Behauptungen sind nicht aus der Luft gegriffen, jedoch sehr komplex in der untermauerung.

  3. Wenn im November die Gasvorräte in Ukraine alle sind, dann stehen in der Ukraine alle Räder sowieso still, und bankrott ist Ukraine schon jetzt. Putin muss jetzt nur noch abwarten und darauf achten , dass die Separatisten nicht überrannt werden, dann erreicht er zum Jahreswechsel alle Ziele.
    Und wenn Russland für sein Geld in Europa nichts mehr bekommt, wird es auch nichts mehr nach Europa liefern, oder im Falle von Sanktinen nur mehr gegen Vorauskasse und nicht mehr gegen Westwährung.

  4. Sehr geehrter Herr Wolk zu Ihrem Posting möchte ich anmerken, dass Russland die unkrainischen Gastarbeiter nicht ausweisen wird, weil mir auffällt, dass Russland alles unterlässt was die Ukrainer gegen ihn aufbringen könnte, er lässt sich vielmehr in die Opferrollte drängen und tat auch lange hin und her bis er das Gas zum 1. Juli wirklich abdrehte.

  5. Ein sehr aufschlussreicher und bemerkenswert neutraler Beitrag zu dem Thema der Sanktionen, da die meisten eher parteiergreifend wirken bzw. eine bestimmte Perspektive vertreten. Die Anmerkung zur Zielsetzung einer Sanktion mit der gewünschten Verhaltensänderung wirkt doch in den Medien aktuell eher unberücksichtigt. Vielmehr überwiegt der Strafcharakter, der meiner Meinung nach auch eher einer Verhärtung als einer Lösungsfindung dient. Dann stellt sich die Frage in diesem Kontext, ob die Realisierung der Einnahmensverluste unter diesem Aspekt sinnvoll ist, wenn das beabsichtigte Ziel nicht mit der aktuellen Politik erreicht werden kann bzw. wie sich auch abzeichnet und beschrieben wurde kontraproduktiv wirken kann.

  6. Es erscheint wenig sinnvoll, zu denken, nur Russland könnte den Flugzeugabsturz verantworten. Keinesfalls sollten auch Gastkommentare nur irgendwie den Eindruck erwecken, als wären die USA nicht der Aggressor.
    Cui bono? Welche Vorteile hätte Russland, ein malaysisches Flugzeug vom Himmel zu holen, wenn Malaysia zugleich in Asien wichtiger Verbündeter und Abnehmer russischer Rüstungsgüter ist. Dass Putins Tochter mit ihrem Ehegatten in den Niederlanden verweilt, scheint angesichts der Tatsache, dass das Flugzeug fast nur mit Niederländern besetzt war, ein tragischer Zufall zu sein: Die Deportierung Putins Tochter aus den Niederlanden wird diskutiert.
    Ein in den Medien geführter “Krieg” entspricht nicht immer der Wahrheit. Das kann nicht nur Jörg Becker bestätigen. Beweise für einen pro-russischen Raketenabschuss konnten von der US-Regierung nicht erbracht werden: Im Interesse der nationalen Sicherheit werden bislang konkrete Beweismittel “unter Verschluss gehalten”. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass die US-Regierung Facebook-Postings von “russischen Soldaten” ausreichende Beweiskraft zuschreibt. Kaum vorstellbar, dass ein Staat, der sich voll und ganz der Intelligence verschrieben hat, hier mit Facebook-Postings aufhorchen lässt. Inzwischen stellte auch Russland fest, dass während des Flugzeugabsturzes ein amerikanischer Satellit über Donezk positioniert war. Aber auch zumindest ein russischer Satellit ist auf die Donezk Region gerichtet.
    Fragwürdig erscheint zudem, warum die Wrackteile der Mh17 im Cockpitbereich auf dem selben Trümmerteil Einschuss- und Ausschusslöcher von Maschinengewehrkugeln aufweisen und scheinbar auch ukrainische Kampfflugzeuge in Nähe zur Mh17 festgestellt wurden. Sollte die Mh17 nicht von einer BUK abgeschossen worden sein? Ein solcher Raketenstart wäre zumindest vom amerikanischen Satelliten nicht unbemerkt geblieben. Fakt ist, jeder Bericht oder Gastkommentar, der die Rolle der USA in diesem Konflikt nicht hinterfragt und Fakten ignoriert, ist de Abdruckes nicht würdig. Fest steht, ein Flugzeug ist abgestürzt, zum Vorteil der USA, und beide Konfliktparteien USA und Russland wissen mehr als uns in den Mieden wieder einmal vorgespielt wird.

  7. Embargos und Sanktionen halte ich für völlig falsch, eigenschädlich und nutzlos.
    Leider hat unverständlicherweise auch der österr. ÖVP-Aussenminister (eines neutralen Staates) da mitgestimmt, als wär er US-weisungsgebunden.
    Pearl Harbour war zB ein Resultat von Sanktionen.

  8. http://www.nst.com.my/node/20925

    KUALA LUMPUR: INTELLIGENCE analysts in the United States had already concluded that Malaysia Airlines flight MH17 was shot down by an air-to-air missile, and that the Ukrainian government had had something to do with it.

  9. Sanktionen könnten wirkungsvoll sein, wenn sie massiv genug sind und sie von vielen, möglichst allen demokratischen Staaten unterstützt werden. Putin ist intelligent und wahrscheinlich vorsichtig genug um zu erkennen, dass er gegen die vereinigte Macht der EU, der USA und anderer mitwirkender Staaten (z.B. Japans, Indonesiens), wenn sie konsequent eingesetzt wird, keinen längerdauernden Erfolg haben kann.

    Diese Sanktionspolitik setzt allerdings die Bereitschaft voraus, Nachteile, die sich aus Gegenreaktionen ergeben, in Kauf zu nehmen.

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