Der ‘weisse Schwan’ (Белый лебедь) auf Kuba

Der Bericht der russländischen Izvestija über angebliche Pläne russländische strategische Bomber auf Kuba hat erneut für Irritationen über die russländische Sicherheitspolitik ausgelöst. Viele Kommentatoren habendie Ereignise während der Kubakrise 1962 in Erinnerung gerufen. Der von Izvestija nicht genannte Informant hatte auf die technischen Möglichkeiten der Nutzung Kubas für die strategischen Bomber hingewiesen. Daraus wird zunächst nicht klar, ob damit die Errichtung  eines Luftwaffenstützpunktes auf Kuba oder die Nutzung von Einrichtungen auf Kuba für mögliche Wiederbetankungen der Bomber gemeint ist. Wie aber sind beide möglichen Varianten militärisch
beurteilen:

Russland verfügt derzeit über 79 strategische Bomber: 15 Tupolev (Туполев) Tu-160 und 64 TU-95 MS. Aufgrund der hohen Tankbeladung (bis zu 125 Tonnen) hat die Tupolev bei einer Höchstgeschwindigkeit von 850 km/h eine maximale Flugreichweite von 12.750 km; die Tu-160 kann damit ca. 15 h bei voller Beladung und Betankung in der Luft bleiben. Die Tu-95 MS hat eine Reichweite von ca. 8.000 km. Für einen strategischen Einsatz über dem Territorium der USA ist eine Auftankung in Kuba daher nicht erforderlich. Bestückt sind beide Bomber mit X-55 Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 2-3.000 km.

Natürlich wäre durch die Stationierung von strategischen Bombern auf Kuba wie Rüstungsexperte Martin Senn betont, die Vorwarnzeit für die USA bei einem nuklearen Schlagabtausch sehr gering. Dies würde aber auch für Russland bedeuten, dass das Risiko für eine nukleare Eskalation immens ansteigen würde. Bei einer dauerhaften Stationierung auf einem Luftwaffenstützpunkt auf Kuba wäre es auch erforderlich, die Bomber vor einem Angriff durch die Luftwaffe der Vereinigten Staaten zu stützen; dies würde einen technisch aufwendigen Luftabwehrmechanismus (Boden-Luft Flugabwehrraketen, Kampfflugzeuge und eine hohe Zahl an konventionellen Streitkräften erfordern.

Zuletzt: In der Debatte wird nicht diskutiert, ob Kuba denn überhaupt ein Interesse daran hätte, Russland Basen-, Überflugs- oder Wiederbetankungsrechte einzuräumen. Die Führung unter Raoul Castro strebt mit einer sehr vorsichtigen Liberalisierung eine Wiederannäherung an die Europäische Union an; auch wird erhofft, die Beziehungen zu den USA unter einem Präsidenten Obama zu entschärfen. Eine militärisch-technische Kooperation mit Russland würde diese startegischen Vorhaben zunichte machen. Kuba hat daran sicherlich kein Interesse.

Militärisch sinnvoll wäre allerdings die Wiedereinrichtung modernisierter Abhöranlagen in Lourdes: Dieser Stützpunkt, für den Russland zuletzt 200 Millionen USD an Miete an die kubanische Regierung zu entrichten hatte, war 2002 geräumt worden.

4 thoughts on “Der ‘weisse Schwan’ (Белый лебедь) auf Kuba”

  1. ergänzend dazu sind die meldungen des zusammentreffens des russischen und venzolanischen präsidetenen ebenso interessant.

    in den medien wurde erwähnt, dass chavez neben zahlreichen waffenkäufen (darunter auch diesel u-boote)- indes von venezulanischer seite dementiet-, russland angeboten hat, militärbasen im venezulanischen staatsgebiet zu errichten.
    interessant finde ich die these, dass es sich bei diesem möglichen szenario um ein banancing zum amerikanischen rareketenschild in den osteuropäischen staaten handelt.

  2. Ich denke, wenn überhaupt balancing, dann geht es hierbei mehr darum einen weiteren bargaining-chip im Handel um die Raketenstellung in Polen und die Radarstation in Tschechien zu generieren, was dann eine weitere Parallele zur Situation 1962 wäre. Auch damals zogen die Amerikaner ihre Raketen (die sowieso veraltet waren) aus der Türkei ab, nachdem die Sowjets ihre wieder aus Kuba zurückgeholt hatten.

    Kuba selbst dürfte an dieser Stationierung wohl kaum Interesse haben, es sei denn die Hardliner in der kubanischen Führung setzen sich durch und fahren den Isolationskurs des Landes nach Westen fort, wofür ein freundlich gesinntes Russland, ähnlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges, als wirtschaftliche Stütze dienen könnte. Doch dem nun eingeschlagenen Reformkurs würde ein derartiger Schritt massiven Schaden zufügen.

    Auch ist es fraglich, was eine tatsächliche Stationierung der Bomber auf Kuba Russland bringen würde, außer Kosten für die Unterhaltung der Basen (und mögliche Leistungen für die kubanische Regierung). Als Zweitschlagswaffen sind solche Bomber ungeeignet und erhöhen daher nicht die Abschreckungswirkung des russischen Nukleararsenals. Vielmehr machen sie, wie erwähnt eine Eskalation wahrscheinlicher.

    Wenn dann würde eine derartige Stationierung aus meiner Sicht nur als möglicher bargaining-chip Sinn ergeben.

    Im Übrigen bewegen wir uns hier mittlerweile im spekulativen Raum, da das russische Minoborony die Informationen der Izvestija bereits als, vom Westen produzierte, “Ente” wiederrufen hat.

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