Medvedevs Wehklagen.

Er zählt seit Langem zu den größten Kriegshetzern Russlands. Er war Präsident des Landes, lange Jahre Ministerpräsident und seit 2020 stv. Vorsitzender des, Putin beratenden, Sicherheitsrates Russlands. Der Mann ist Dmitrij Medvedev. Einst wurde er als „American boy“ verhöhnt, weil er als Präsident eine Annäherung Russlands an den Westen befürwortete. Er war auch derjenige, der damals die umfassende Modernisierung Russlands forderte. Für kurze Zeit schien er Hoffnungsträger für eine Liberalisierung Russlands zu sein.

Medvedev zählt zum innersten Kreis der russischen Führung. Er ist Putin gegenüber seit Jahrzehnten loyal gewesen, verdankt aber seine Stellung im Kern der Machtelite ausschließlich Putin. Putin zu gefallen, ist daher die dringlichste Aufgabe Medvedevs. Das erklärt zum Teil, die aggressiven Äußerungen Medvedevs zum Ukrainekrieg. Andererseits muss Medvedev auch danach trachten, in der Ära nach Putin – wann immer diese beginnen wird – auch ohne die Patronage des Präsidenten im Kern der russischen Machtelite zu bleiben. Das erklärt einen weiteren Teil der Kriegshetze. Medvedev versucht dringlich, das Image eines westfreundlichen Liberalen zu zerstören. Er will den nationalistischen Organen der Staatsmacht gefallen – den Geheimdiensten und den Militärs. Es gibt aber auch Beobachter, die meinen, Medvedev habe ein ungeklärtes Verhältnis zum Alkohol; dieses erkläre die aggressiven, zum Teil absurden Tiraden.

Medvedev verbreitet seine Tiraden vor allem auf Telegram, aber auch Twitter und in der russischen Medienplattform Vkontakte. Im Zentrum seiner Hetze steht immer die „Naziregierung“ in Kiev und der angebliche Versuch des „kollektiven“ Westens, Russland zu zerschlagen, in seine Einzelteile aufzuspalten und die russische Zivilisation zu zerstören. Beide Kernargumente sind auch immer wieder mit Drohungen verbunden, Russland werde im Krieg in der Ukraine nicht davor zurückscheuen, nukleare Waffen einzusetzen. Medvedev orientiert sich damit am offiziellen Narrativ, das die russische Führung gegenüber der eigenen Bevölkerung immer modifiziert und anpasst.

Die jüngste Äußerung Medvedevs ist ein langer Kommentar in der russischen Regierungszeitung „Rossijskaja gazeta“. Wieder beschwört er, dass Russland sich in einem existentiellen Konflikt mit dem Westen befinde. Diese „totale Konfrontation“ werde lange dauern, macht er (ohnehin unberechtigte) Hoffnungen auf eine Annäherung gleich zunichte. Er registriert einen „tektonischen Bruch“, der global über die Vorstellungen von der Zukunft erfolgt sei. Den Westen bezeichnet Medvedev als „zweifellos völlige Idioten“. Dann kommt sie wieder – seine Liebe zu nuklearen Drohungen. Medvedev meinte ein globaler nuklearer Krieg sei nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich. Dies aber sei ein Krieg, der keinen Gewinner kennen werde.

Medvedev behauptet auch, Russland habe nie versucht, die NATO einzudämmen. Nur Teile der früheren Sowjetunion sollten nicht aufgenommen werden sei die russische Forderung gewesen. Ersteres widerspricht den russischen Forderungen nach verbindlichen Sicherheitsgarantien, die im Dezember 2021 vorgelegt wurden. Da wurde von der NATO der Verzicht auf jede weitere Ausdehnung verlangt.

Russland sei aber bereit, nach „vernünftigen Kompromissen“ zu suchen. Darin sieht er aber westliche Zugeständnisse, die nicht nach Kompromissen klingen: Es dürfe kein „anti-Russland“ mehr geben; gemeint ist damit die Ukraine. Die russischen Interessen müssten maximal (!) berücksichtigt werden. Dann wird Medvedev wieder brüsk und fordert, das „Kiever Naziregime“ müsse „vernichtet werden“. „Weggeworfen wie ein faules Stück Schmalz in den Mülleimer der Weltgeschichte.“ Der Westen müsse das akzeptieren, wenn er ein „apokalyptisches Ende unserer Zivilisation“ verhindern will. Das also sieht Medvedev als einen möglichen Kompromiss an? Er selbst sieht sich aber ohnehin nicht als Optimisten.

Diese Abhandlung Medvedevs ist zwar wieder voll mit kruden Anschauungen und Behauptungen; seine sonstigen verbalen Hassreden sind milder ausgefallen. Auch wenn er den Europarat, den Internationalen Strafgerichtshof und die OSZE als „Freaks“ bezeichnet. Man sollte nicht zu viel Alkohol trinken.

 

Dieser Kommentar ist am 6.7.2023 auf focus.de erschienen (https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/gastbeitrag-von-gerhard-mangott-nach-atom-drohung-gibt-experte-einblicke-in-gedankenwelt-von-putins-ober-hetzer_id_198281045.html)

Photo credit: https://www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/die-welt-ist-krank-russlands-ex-praesident-medwedew-warnt-vor-neuem-weltkrieg;art391,3823344

 

 

 

 

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