Russlands Militärintervention in Syrien

Die verstärkte Militärhilfe, vor allem aber die offene Militärintervention Russlands in Syrien verändert die politische und militärische Lage in diesem Land radikal. Putin hat sich dazu entschlossen, dem syrischen Regime zu Hilfe zu kommen, weil al-Assad in den letzten Monaten deutliche Gebietsverluste hat hinnehmen müssen. Mit den russischen Luftangriffen werden die syrischen Streitkräfte am Boden an allen derzeitigen Fronten unterstützt. Dabei geht es zunächst darum, eine Implosion des Regimes von al-Assad zu verhindern. Die russische Führung fürchtet, dass in einer solchen Lage ein radikal-sunnitisches Regime an die Macht gelangen könnte, das nicht nur Russlands Interessen in Syrien bedroht, sondern auch die Sicherheit im russischen muslimischen Nordkaukasus untergraben könnte.

Russland will mit dieser Intervention aber auch deutlich machen, dass eine politische Lösung der Syrienkrise ohne Moskau nicht möglich sein wird. Russland wird am Verhandlungstisch dabei sein, um seine Interessen in Syrien abzusichern. Mit der Militärintervention will Russland bei diesen Verhandlungen aus einer Position der Stärke agieren. Die dauernde militärische Präsenz in Syrien wird sich Russland dabei nicht nehmen lassen. Die russischen Streitkräfte sind gekommen, um zu bleiben.

Die Militärintervention soll aber auch deutlich machen, dass Russland in der Lage ist, militärische Macht auch außerhalb der Region der ehemaligen Sowjetunion zu projizieren. Russland erhebt den Anspruch, auf die Anerkennung als Großmacht und macht deutlich, dass es eben nicht nur eine Regionalmacht ist, wie sie Obama vergangenes Jahr abschätzig eingestuft hat. Dabei ist der ausgebaute Marinehafen im syrischen Tartus und die Luftwaffenbasis südlich von Latakia nur Teil einer breiteren Militärstrategie Russlands, das östliche Mittelmeer mit zu kontrollieren. Die Zusammenarbeit mit Zypern, Griechenland und mit Ägypten geht in diese Richtung.

Russland will mit der zumindest taktischen Unterstützung al-Assads auch klarstellen, Alliierte nicht fallen zu lassen – anders als die USA, die Mubarak plötzlich aus dem Weg räumen liessen. Überdies sollen keine Aufstände gegen eine aus russischer Sicht legitime Regierung mit ausländischer Hilfe zum Erfolg gelangen.

In Russland selbst wird die Putin-Führung um Unterstützung in der Bevölkerung werben müssen. Mitte September unterstützten nur 14 Prozent der Russen eine Militärintervention in Syrien. Die staatlich kontrollierten Medien arbeiten aber nun daran, dies als notwendigen Krieg gegen den islamistischen Terrorismus darzustellen, der in Syrien bekämpft werden soll, um ihn von Russland fernzuhalten. Zur Legitimitätsabsicherung nach Innen wird auch die russisch-orthodoxe Kirche benutzt. Der Sprecher des Patriarchen Chaplin nennt die Militärintervention eine “heilige Schlacht”, der Patriarch selbst bezeichnet sie als “verantwortliche Politik”.

Russland geht mit seinen militärischen Aktionen direkt gegen westliche Interessen vor. Es bombardiert nicht nur den Islamischen Staat, sondern auch Rebellenverbände, die von den USA oder der Türkei unterstützt werden. Für Russland ist die Jaish-al Fatah, der unter anderem die Jabhat al-Nusra (der al-Quaeda Ableger in Syrien) und die von den Türken unterstützte islamistische Ahrar al Scham angehören, ein legitimes militärisches Ziel. Die Luftangriffe der Russen werden sich dabei vor allem auf das nordwestliche Syrien in der Provinz Idlib und die Region östlich von Homs und Hama konzentrieren.

Das wird die Lage in Syrien verschärfen. Russland argumentiert, dass es alle islamistischen Verbände bekämpfen will – auch aus Angst, dass die 4.000 russischen Kämpfer in deren Reihen bei ihrer Rückkehr in Russland Terroranschläge verüben werden.

Dabei haben Russland und die USA noch immer unterschiedliche Konzepte für eine Verhandlunglösung. Putin will al-Assad als Teil einer Übergangsregierung, die USA wollen dies nur für eine kurze Übergangszeit akzeptieren. Als Bündnispartner im Kampf gegen den IS will die USA al-Assad aber nicht akzeptieren.

Russland erwartet von einer neuen Regierung – der al Assad auf lange Sicht nicht mehr angehören muss – die Beteiligung der Alawiten und der Christen und Vorkehrungen, um ethnische Säuberungen, die sich gegen die Alawiten richten könnte, zu verhindern. Unverhandelbar ist für Russland auch in einem post-Assad Syrien die dauerhafte russische Militärpräsenz. Mit der russischen Intervention ist die Syrienkrise endgültig zur globalen Krise geworden.

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