Politische Unvernunft

Am Anfang steht eine kühne Tat. Obwohl angesichts des protokollarischen Unterschiedes zwischen einer Ministerin und dem Präsidenten eines anderen Staates gänzlich unstatthaft, hatte Außenministerin Kneissl die kecke Idee, Vladimir Putin zu ihrer Hochzeitsfeier einzuladen. Der Bundeskanzler war darüber nicht informiert. Ob es tatsächlich so war, oder sich der Kanzler damit nachträglich von dieser Einladung distanzieren wollte, lässt sich nicht herausfinden. Freilich – entgegen allen Erwartungen nahm Vladimir Putin die Einladung an.

Es ist nun nicht so, dass sich ein alter Schulfreund von Frau Kneissl sich entschieden hätte, seiner Klassenkameradin von damals bei deren Hochzeit die Aufwartung zu machen. Es gibt kein Naheverhältnis zwischen Kneissl und Putin. Die beiden kennen einander kaum. Nachdem es also keine persönlichen Bande zwischen beiden gibt, stellt sich die Frage, warum Putin die Einladung angenommen hat. Was waren seine Motive, für kurze 80 Minuten zu dieser Hochzeit zu kommen?

Zwei Überlegungen bestimmten die Entscheidung Putins. Zum einen sah er in der Teilnahme an den Feierlichkeiten eine willkommene Gelegenheit, Öffentlichkeitsarbeit für sich selbst zu leisten. Putin konnte sich – die staatlichen Medien Russlands haben dabei mitgeholfen – als charmanter, freundlicher und netter Mann präsentieren, der von der Hochzeitgesellschaft geradezu hofiert wird. Putin ist also nicht der kaltblütige, finstere Herrscher mit dem eisigen Blick, sondern ein höflicher und lustiger Mann. Putin konnte deutlich machen, dass er keineswegs diplomatisch und politisch isoliert ist, wie die USA es erreichen wollen. In diesem herzlichen Österreich ist Putin eben nicht nur zu politischen Diskussionen am Ballhausplatz willkommen; nein, dieses ergebene Österreich lädt Putin gar zu einem gesellschaftlichen Ereignis wie dieser Hochzeit ein und macht vor ihm einen Knicks.

Das zweite Motiv Putins war wohl die Aufwertung der FPÖ als Regierungspartei. Putin besuchte eben nicht die Hochzeit der Privatperson Kneissl, sondern die Hochzeit einer FPÖ-Ministerin. Auch wenn Frau Kneissl parteilos ist, sie hat das Amt von der FPÖ übertragen bekommen. Die FPÖ ist eine russlandfreundliche Partei, die eine hohe ideologische Affinität zur derzeitigen russischen Führung aufweist. Die nationalkonservativen und rechten Parteien in der EU schätzen Putins autoritären Führungsstil, seine von Gesetzen und Institutionen völlig unbeschränkte Herrschaft. Sie schätzen den Wagemut Putins, gegen die USA aufzutreten. Stolz wird auf gemeinsame sozialkonservative Werte verwiesen – die christliche Identität, die Bedeutung der traditionellen Familie, die Ablehnung eines kosmopolitischen und globalistischen Weltbildes.

Die FPÖ hat sich immer schon gegen die Sanktionen der EU gegen Russland ausgesprochen und deren Aufhebung verlangt. Sie drängt seit ihrer Regierungsbeteiligung auf eine russlandfreundlichere Politik. Diese FPÖ – es war an der Hochzeit auch die ganze Ministerriege der FPÖ zugegen – sollte als Partner in der österreichischen Regierungskoalition aufgewertet werden. Eine Partei sollte für ihre Ergebenheit belohnt werden.

Der Besuch Putins war ganz ausgezeichnet für die Gästeliste von Frau Kneissl, sehr gut für die FPÖ – und nachteilig für unser Land. Österreich war bisher schon von einigen Mitgliedsstaaten der EU als ein Land angesehen gewesen, das ein Sonderverhältnis zu Russland suche, einen eigenwilligen Sonderweg. Vor allem im Vereinigten Königreich, in Polen oder den baltischen Staaten fiel nicht selten die Wendung von Österreich als dem trojanischen Pferd Russlands in der EU.

Das könnte der Bundesregierung zunächst einfach egal sein – wäre da nicht der erklärte Wunsch der Regierung, allen voran der des Kanzlers, zwischen der Europäischen Union und Russland Brückenbauer zu sein. Ein Vermittler, der sich um Annäherung, Dialog und am Ende vielleicht um Aussöhnung bemüht. Das ist auch ein wesentliches Ziel des Landes, das derzeit den Ratsvorsitz in der Europäischen Union und damit etwas mehr Gewicht und Gestaltungsspielraum als gewöhnlich. Die Regierung will vor allem einen informellen Dialog zwischen den Institutionen der EU – der Kommission und dem Parlament – und Russland anstoßen. Das ist ein legitimes außenpolitisches Ziel. Dialog zu fördern, wenn die Konflikte ausufern, ist sinnvoll.

Dieses Ziel ist an sich schon ein kühnes Vorhaben, wird doch die Außenpolitik der Union, vor allem gegenüber einer Großmacht wie Russland, von den informellen Führern der EU, Deutschland und Frankreich vorgezeichnet. Das war auch von Anfang an schwierig, weil einige Mitgliedsstaaten der EU argwöhnisch über die Motive für das Vorgehen der österreichischen Regierung nachdachten. Nach dem Besuch Putins bei der Hochzeitsfeier von Frau Kneissl, ist dieses Vorhaben schlicht unmöglich geworden. Kneissl hat mit dieser kecken Einladung die gesamte Russlandstrategie der Bundesregierung torpediert. Österreich hat dadurch noch mehr an Glaubwürdigkeit verloren und wohl endgültig den Ruf verloren, ein „ehrlicher Makler“ bei der Wiederannäherung der EU und Russlands zu sein.

Ein Sonderverhältnis zu Russland anzustreben, musste sich die Regierung schon im April anhören, als Österreich zusammen mit wenigen anderen EU-Mitgliedern sich weigerte, als Reaktion auf die von der britischen Regierung Russland vorgeworfene Täterschaft des Nervengiftanschlages gegen Sergej Skripal, keine russische Diplomaten ausgewiesen zu haben. Das mag zwar eine durchaus sinnvolle Entscheidung gewesen sein, weil die britische Regierung keine eindeutigen Beweise vorlegen konnte, aber es nährte die Erzählung von Österreichs Sonderweg gegenüber Russland. Nun ist das Image durch die Einladung Putins zu dieser Hochzeitsfeier noch weiter beschädigt.

Aber auch Kneissl persönlich ist als Außenministerin nachhaltig beschädigt. Bei ihren Amtskollegen wird sie für den Tanz mit Putin wohl keine Anerkennung finden; es wird ihr viel mehr außenpolitischer Dilettantismus vorgeworden, Putin durch die Einladung eine willkommene Bühne geboten zu haben. So sehr sie sich auch über die 80 Minuten mit Putin gefreut haben dürfte – sie wird erkennen, wie sie ihrem Ruf und ihrem Ansehen außerhalb von Russland geschadet hat. Schon liest man die Wendung, Frau Kneissl habe sich als „nützlicher Idiot“ für Putin hergegeben.

Im Außenministerium hat man sich beeilt zu erklären, dass sich durch das Sommertheater in der Steiermark die Außenpolitik Österreichs nicht ändern werde. Das gilt bei vielen Partnerländern aber nicht als eine Beruhigung, sondern als eine gefährliche Drohung. Warum fühlte man im Außenministerium überhaupt die Notwendigkeit, sich zu rechtfertigen, wenn die Einladung doch angeblich völlig in Ordnung gewesen sein soll.

Der Ruf der österreichischen Bundesregierung im Ausland mag nun ramponiert sein, aber in Russland gelten wir nun als enge Freunde. Das wird auch seinen Nutzen haben. Die Handelsbeziehungen, die nach dem Ende der Rezession in Russland im vergangenen Jahr, wieder stärker werden, können davon profitieren. Auch der Marktzugang für österreichische Unternehmen in Russland könnte mit dem politischen Segen der russischen Regierung erleichtert werden. Finanziell könnte sich die ganze Posse vielleicht auszahlen. Wer kümmert sich da schon um seinen Ruf.

 

Foto: news.at

9 thoughts on “Politische Unvernunft”

  1. Sehr geehrter Hr. Mangott, es freut mich jedesmal sehr, Sie bei Interviews zu hören und auch die “Entdeckung” Ihres Blogs erlebe ich als Gewinn. Angenehm klare und sachliche Analysen. Vielen Dank und bitte immer wieder!

  2. Sie werden auf orf.at zitiert, dass Fr. Kneissl RT die Exklusivrechte gegeben hat.

    Das sind alternative Fakten. Es waren überhaupt keine Medien akkreditiert, RT hat Privatvideos veröffentlicht.

    Ihr Artikel selbst ist recht sachlich, aber von einer klaren Russlandphobie gezeichnet. Damit arbeiten Sie im Sinne der USA und NATO.

    Für Europa wäre es aber höchst sinnvoll, freundschaftliche Beziehungen zu Russland zu haben. Aus Sicherheits- und Wirtschaftsüberlegungen.

    Somit ist ihre Analyse aus Sicht der USA schon richtig, dass es politisch unvernünftig war. Aus europäischer Sicht hat Fr. Kneissl aber einen politisch höchst wertvollen Beitrag geleistet.

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