Kriegsgewinner

zchinvali033

Aus dem russisch-georgischen Krieg im August des letzten Jahres ist Russland als Gewinner hervorgegangen: Die sezessionistischen Regionen Abchasien und das südliche Ossetien sind für Georgien wohl dauerhaft verloren. Die georgische Führung um Mikheil Saakashvili ist in den meisten Staaten der EU, aber auch in den USA diskreditiert; zu unberechenbar, zu emotional, zu verantwortungslos hat sich Saakashvili erwiesen. Zuletzt ist Saakashvili’s Ansehen und Macht auch in Georgien selbst angeschlagen: durch seine umstrittene Rolle zu Beginn der militärischen Eskalation, aber auch durch die sozialen Verwerfungen und rechtsstaatlichen Missstände im Land. Zwar ist die Opposition fragmentiert und ohne einigende und charismatische Führungsfigur; es wird ihr auch nicht gelingen, Saakashvili zum Rücktritt zu zwingen; trotzdem aber kann sie den Handlungsspielraum Saakashvilis einengen.

Russland hat seine militärische Präsenz in Abchasien und Südossetien verstärkt; in beiden Regionen sind derzeit annähernd 8.000 Soldaten stationiert. Die Grenzsicherung wurde durch die Einheiten aus dem FSB übernommen; mit beiden Regionen hat Russland militärische Beistandspakte abgeschlossen.

Am sichtbarsten ist der ‚Sieg‘ Russlands aber in der Haltung der EU und der NATO. Beide haben die militärische Lage in Georgien zur Kenntnis genommen. Zwar wurden die Verhandlungen zwischen der EU und Russland über ein neues Rahmenabkommen für einige Wochen ausgesetzt; rasch aber wurden sie wieder aufgenommen, obwohl Russland seine militärischen Einheiten nicht auf Zahl und Stationierungsort vor Ausbruch des Konflikts zurückgezogen hatte; dies war aber ein wesentliches Element der von Frankreich ausgehandelten Waffenruhe vom 12. August gewesen. Zwar kommen die Verhandlungen über das Rahmenabkommen kaum voran; dies ist aber nicht dem ‚Augustkrieg‘ geschuldet, sondern Ausdruck zahlreicher Interessenunterschiede, die bereits vorher auszumachen gewesen waren.

Aber auch die Verhärtung zwischen der NATO und Russland ist einer pragmatischen Annäherung gewichen. Nach der militärischen Eskalation in Georgien hatte Russland die militärischen Beziehungen mit der NATO (zumindest offiziell) gänzlich eingestellt; das Bündnis selbst hatte die Konsultationen im Rahmen des NATO-Russland Rates ausgesetzt. Im vergangenen Mai hat sich die Allianz, wenn auch nicht einhellig, zur Abkehr von dieser Linie entschlossen. Deutschland und Frankreich sehen sich in ihrer Haltung auf dem NATO-Gipfel in Bukarest im April 2008 bestätigt, als sie die von den USA unterstützte Annäherung Georgiens an die NATO blockiert hatten. Die Mitgliedschaft Georgiens in der Allianz kann auf mittlere Sicht ausgeschlossen werden. Das Verhalten der EU und der NATO hat deutlich gemacht, dass beide abseits stehen, wenn ein drittes Land in eine militärische Auseinandersetzung mit Russland verwickelt ist. ‚Mourir pour Tbilissi‘ ist keine strategische Maxime der Russlandpolitik dieser Bündnisse.

Aber ungetrübt ist der Ausgang des Augustkrieges auch für Russland nicht. Die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens war ein strategischer Fehler. Russland hatte beide Regionen ohnehin kontrolliert; sie als Spielmasse im geostrategischen Wettbewerb einzusetzen, wäre ohne diesen Schritt leichter gewesen. Die beiden Regionen in die Unabhängigkeit zu begleiten, hat Russland in diplomatische Isolation geführt. Auch die engsten Alliierten Russlands – Belarus, Armenien und die zentralasiatischen Staaten – haben die Anerkennung verweigert; angesichts der sezessionistischen Konflikte in Tibet, Xinxiang und Taiwan war auch China dazu nicht bereit.

Zur Selbstisolation kommt aber auch das Risiko, die Erwartungen der abchasischen und der südossetischen Bevölkerung zu enttäuschen. Die Hoffnung auf einen raschen Wiederaufbau ist verflogen. Das ist zunächst sicherlich auf unfähige, korrupte und bisweilen kriminelle regionale politische Eliten zurückzuführen. Aber auch die finanzielle Unterstützung durch Russland ist zu gering, um die Kriegsschäden rasch zu beseitigen. Die russische Führung wird auch darauf achten müssen, bei den zunehmenden Konflikten innerhalb der Eliten dieser Regionen eine umsichtige Rolle einzunehmen; wie wenig Russland dazu fähig ist, zeigt es seit vielen Jahren im nördlichen Kaukasus.

Die südossetische Bevölkerung steht Russland näher, nicht zuletzt aufgrund der Landsleute im nordkaukasischen Ossetien. Die Abchasen aber sind gegenüber Russland misstrauisch; tief verankert sind die Erinnerungen an die Vertreibung der Abchasen durch die zaristischen Schergen in den kaukasischen Kriegen und die aggressive Ansiedlung von Russen und Georgiern; dadurch waren die Abchasen in ihrem eigenen Land zu einer kleinen Minderheit geworden. Die Osseten mögen ihre staatliche Unabhängigkeit als transitorischen Zustand verste-hen und den Anschluss an Russland anstreben. Die Abchasen werden auf ihrer staatlichen Selbständigkeit aber beharren, auch wenn dies zu Konflikten mit Russland führen sollte.

Russland hat den Krieg mit Georgien zu nutzen gewusst; der geostrategische Erfolg im südlichen Kaukasus und die Nachsicht der EU und der NATO sind eindrücklich. Das Ansehen Russlands aber ist gebrochen, das Misstrauen gegen die russische Führung stärker geworden; aber vielleicht denken die Machthaber in Moskau auch: ‚Mögen sie uns hassen, solange sie uns fürchten‘.

Dieser Text ist am 7. August 2009 in der Tageszeitung ‘Die Presse‘ erschienen.

Fotoquelle: http://www.allworldwars.com/Battle%20for%20the%20South%20Ossetia%20August%202008.html

5 thoughts on “Kriegsgewinner”

  1. “Mourir pour Tiblissi” war meines Erachtens nach auch deshalb im westlichen Bündniss nicht attraktiv, da relativ rasch auch in den Medien klar wurde, dass es nicht eine von Russland begonnene Aggression war, sondern auf einen Georgischen Angriff, bei dem russländische Soldaten den Tod fanden, reagiert wurde.
    Zwar konnte Tiblissi in den ersten Tagen nach Beginn der Offensive den Eindruck Opfer zu sein erwecken, auch da die russ. Gegenreaktion heftiger als nötig ausfiel, doch an eine militärische Unterstützung des Landes dachte im Westen (zum Glück) niemand. Trotz der Tatsache, dass Saakashvili sofort für mehrer Live-Schaltungen zu CNN zur Verfügung stand, während Putin und Medvedev auf Urlaub, beziehungsweise im Urlaub waren.

    Nach einigen Wochen und Monaten wurde jedoch zunehmend klar, auch ohne den nach wie vor nicht veröffentlichten Untersuchungsbericht, dass Georgien die Kampfhandlungen begonnen hatte. Dies hätte eine langanhaltende Blockade Russlands im Nato-Russland-Rat und bei der Ausarbeitung des Rahmenabkommens nicht rechtfertigen können und zur Aufrechterhaltung einer “Unwahrheit” die Beziehungen zu Russland dauerhaft gefährden, wollte im Westen (außer vielleicht in einigen östlich gelegeneren EU-Mitgliedsstaaten) niemand.

    Die Anerkennung der Republiken durch Russland selbst erfolgte unter dem großen öffentlichen Druck (einstimmiger Parlamentsbeschluss) sicher unüberlegt und übereilt. Ohne diese, wären die Republiken gleichstark an Moskau gebunden gewesen, wenn nicht sogar mehr und gleichzeitig hätte Russland sich Verhandlungsspielraum erhalten.
    Zudem ist in folge die Position Russlands zur Anerkennung des Kosovos und der Vorwurfs an westliche Staaten ihre Interessen über das Völkerrecht zu stellen inhaltsleer geworden, da man selbst ähnlich vorgeht.

  2. Sehr geehrter Herr prof. dr. Mangott,

    Im grossen und ganzen stimme ich ihrem Artikel zu. Allerdings muss ich in einem Punkt entschieden dagegen halten.

    Dass Sie die lokalen Politiker als “unfähige, korrupte und bisweilen kriminelle regionale politische Eliten” bezeichnen stimmt nicht ganz. Sicherlich gibt es auch in diesen jungen Staaten unfähige, vielleicht aber auch korrupte Leute. Wo aber auf der Welt gibt es sie nicht. Gemessen an einigen demokratisch geltenten westlichen Ländern ist die “Unfähigkeit und die Korruption” in diesen beiden Ländern, besonders in Abchasien, doch eher harmlos zu bezeichnen.

    Dass Sie aber diese Politiker als “kriminell” bezeichnen ist weit her geholt. Zumindest für Abchasien ist der Vorwurf absolut nicht berechtigt. Sehen Sie sich doch mal die staatliche und gesellschaftliche Entwicklung der letzten Jahre in Abchasien an. Wo auf der Welt gibt es ein Land dass trotz eines verheerenden Krieges und einer jahrelangen, teilweise ziemlich brutalen Embargo, so eine Entwicklung gemacht hat. Besonders in den letzten 5 Jahren.

    MfG Kapba

  3. sehr geehrter herr kapba,
    ich denke schon, dass die verstrickung vieler lokaler personen in zweifelhafte geschäftliche strukturen gegeben ist. dass dies auch für andere länder gilt, ist unbestritten. gerade für übergangsgesellschaften, in denen es um die verteilung von eigentum und einfluss geht, ist dieser strukturelle korruptionsfaktor sehr deutlich.

  4. Sehr geehrter Herr prof. dr. Mangott,
    Danke fuer den objektiven Bericht, die westliche Medien (CNN) wie auch die Russische Medien eraehlen schon merklich widersprechliche Ansichten. Eine faktische uebersicht ist notwendig. Was stark in allen Berichten stark fehlt sind die Motivationen der “Politik”. Die Intressen an Georgien sind knall hart Economical. Einfluss auf Georgien ist kritisch fuer Oel und Gas Transit aus schwirig erreichbaren Kaspisches und Kazahklstahnischem Gebiet nach Westen zum Schwarzen und Mittelmehr. Um die Spannung zwischen normale Buerger der Welt und den Oligarchen (Amerikanische wie auch Russische) auf korrektes Niveau zu bringen sind Berichte ueber die Oel und Gas Transit Infrastruktur mit Besitz- und Intressensverhaeltnisse ein wichtigen Faktor, und wuerden auch den Krieg leicht fuer jeden Leser erklaeren.

  5. Kann ein Krieg denn gewonnen werden? Sind nicht auch die “Sieger” letzten Endes Verlierer ihres Ansehens und verlieren sie nicht noch mehr?
    “Das Ansehen Russlands aber ist gebrochen, das Misstrauen gegen die russische Führung stärker geworden.”
    Und alles was bleibt, ist ein eisiger “Windhauch”… (Buch Kohelet)

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