Ukraine und die NATO

Russland, das die neue Führung in Kiiv nicht anerkannt und nur technische Kontakte mit ihr unterhält, fürchtet, dass diese das Gesetz über die Bündnisfreiheit der Ukraine aus 2010 kündigen könnte. Ukraine wurde – wie Georgien – auf dem Treffen der NATO in Bucharest im April 2008 eingeräumt, Mitglied der NATO zu werden. Der Beitritt wurde als garantiert angegeben, wiewohl auf deutschen und französischen Druck die Ukraine keinen dafür vorbereitenden Membership Action Plan (MAP) zugestanden bekommen hat. Russland fürchtet nun, dass die Ukraine, die unter der Führung von Janukovic keine Annäherung an die NATO mehr gesucht hatte, sich erneut um einen MAP bemühen wird. Ein Grund der russländischen militärischen Intervention ist, Druck auf die ukrainische Führung auszuüben, den Status der Allianzfreiheit beizubehalten. Die Überlegung Putins ist auch, dass die NATO eigentlich keine Staaten aufnehmen will, die offene territoriale Streitigkeiten haben. Die Intervention auf der Krim sollte damit den NATO-Zugang blockieren.

Die offenen territorialen Fragen in Abchasien und Südossetien haben tatsächlich dazu geführt, dass die Annäherung Georgiens an die NATO zum Stillstand gekommen ist. Aber gerade weil Putin, die in Georgien erfolgreiche Strategie, die NATO-Annäherung zu blockieren, in der Ukraine wiederholen möchte, rechne ich damit, dass die NATO diesmal anders reagieren wird. Ich halte die Gewährung eines MAP an die Ukraine trotz offener territorialer Konflikte für möglich, weil die NATO Putins Kalkül unterlaufen möchte. Die NATO-Annäherung der Ukraine würde die Lage weiter eskalieren und das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen weiter verschlechtern. Die NATO ist aber in einem Glaubwürdigkeitsdilemma und wird kaum anders reagieren können.

Freilich wird es innerhalb der NATO auch Widerstand gegen einen MAP für die Ukraine geben, zumal ein Beitritt nach Art. 5 des Washingtoner Vertrages, die NATO zum militärischen Beistand für die Ukraine zwingen würde. Ich sehe aber auch die Mitgliedschaft der Ukraine nicht als vorrangiges Ziel der NATO, wohl aber die weitestgehende Annäherung an die Allianz unterhalb der Beitrittsschwelle.

7 thoughts on “Ukraine und die NATO”

  1. Gibt es für eine NATO-Mitgliedschaft nicht Mindeststandards, wie die Höhe der Ausgaben für den Verteidigungsetat oder die technische Ausrüstung der Armee?
    Die Ukraine hat ja bekanntlich massive finanzielle Probleme. Dies wird auch die oben genannten Bereich betreffen.

    Und eine andere Frage drängt sich mir auf bezüglich Art. 5: was ist der Mehrwert für die NATO, noch weitere Staaten in potentiellen Unruheregionen zu integrieren? Mit der Türkei, die ja schon lange Mitglied ist, hat die NATO außerdem eine “Außengrenze” mit den derzeitigen Hotspots Syrien, Irak und Iran.

  2. Sie haben mit diesen Aufnahmekriterien völlig recht. Das wichtigste ist, dass ein MAP vergeben wird; die Zeitspanne seiner Umsetzung wird, auch aus den von Ihnen genannten Gründen, eine lange sein. Die NATO wird meines Erachtens in diese Richtung gehen, weil die große Mehrheit der Mitglieder gegenüber Russland eine “rote Linie” ziehen will.

  3. Zum Nachlesen :
    Im Rahmen der Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 hatte es Zusagen westlicher Außenminister, federführend von Hans-Dietrich Genscher, an die sowjetische Seite unter Michail Gorbatschow gegeben, wonach eine Erweiterung der NATO infolge der Wiedervereinigung nicht betrieben werde. Die seitdem vom Westen betriebene Politik der NATO-Osterweiterung wird bis heute auf russischer Seite in allen politischen Lagern als Vertragsbruch des Westens wahrgenommen [14].
    Auf dem NATO-Gipfel in Madrid 1997 wurden erstmals Beitrittsverhandlungen mit den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten Polen, Tschechien und Ungarn angeboten, später folgten weitere osteuropäische Staaten.
    Am 12. März 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei sowie am 29. März 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.
    Wundert da sich jemand, dass Russland sich über den Tisch gezogen fühlt?

  4. Im Standard wurde von H. Gärtner (http://derstandard.at/1392686995883/Kiew-sollte-sich-Neutralitaet-Oesterreichs-ansehen) vorgeschlagen, dass sich Kiew neutral erklären sollte. Warum wird diese Option von keinem der Maidan-Akteure verfolgt, bzw. von westlichen Politikern ins Spiel gebracht? Was halten sie selbst davon? Das würde die Einkreisungsangst der Russen vermindern und der Westen braucht ja wirklich kein Nato-Mitglied Ukraine, wohl aber eine wirtschaftlich mit der EU integrierte Ukraine.

  5. Das Beste wäre, wenn keiner der Akteure an der geltenden Gesetzeslage der Bündnisfreiheit nichts ändern würde. Ein explizit neutraler Status ist in der Ukraine aber nicht mehrheitsfähig.

  6. @Kai Burger: Eva Glawischnig von den “Grünen” ist auf den Zug von Prof. Gärtner schon aufgesprungen. Im Gespräch mit der “Tiroler Tageszeitung” schlägt sie “eine neutrale Ukraine” vor, bedauert aber zugleich, dass Österreich “leider nicht mehr die außenpolitische Schlagkraft besitzt, um diesen Vorschlag aktiv zu präsentieren”.
    Womit sie Recht hat: Denn seit Michael Spindelegger ist Österreichs Außenpolitik schlicht eingeschlafen …. und Herr Kurz wird sie auch nicht wachküssen können!

  7. Und das Endziel der NATO lautet:
    Eliminierung des Widerspenstigen!?
    Also Eleminierung des Wladimir Putin!?

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